Ein Bild mit zwei Geschichten Teil 3 (Nathayen POV)
Wir nahmen einen der schwarzen Vans aus der Tiefgarage, die für solche Fälle präpariert worden waren. Das Nummernschild auf dem Wagen existierte nicht, sodass Halterabfragen nach unerwünschten Kameraaufzeichnungen ins Leere laufen würden. Einen Künstler zu entführen, war eine Kleinigkeit. Der Mann rechnete weder damit, dass es jemand auf ihn abgesehen hatte, noch verfügte er über irgendwelche Sicherheitsmaßnahmen.
Der Zufall spielte uns dennoch in die Hände. Jonas Krewood kam erst spät zu seinem Apartment zurück. Womöglich hatte er noch mit jemanden auf den erfolgreichen Verkauf angestoßen – letztlich konnte es mir egal sein. Sobald Dam mir aus dem Wagen heraus gesagt hatte, dass er das Gebäude betrat, wartete ich bereits um die Ecke des Treppenhauses, in dem der Aufzug anhielt.
Kaum, dass sich die Türen öffneten und Jonas Krewood mit dem Rücken zu mir die Etage betrat, setzte ich den Mann mit einem gezielten Schlag außer Gefecht. Menschen waren für unsereins keine würdigen Gegner. Dennoch empfahl es sich, sie bereits mit dem ersten Treffer, um ihr Bewusstsein zu bringen. Vor allem, wenn man nicht wollte, dass sich Opfer lautstark wehrten.
Ich fing den bewusstlosen Mann auf, bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte. Danach warf ich ihn über meine Schulter wie einen Betrunkenen, den ich nach Hause bringen wollte. Nicht, dass es um diese Uhrzeit jemanden gegeben hätte, der sich daran störte. Dennoch hatte ich eine Ausrede parat für den Fall, dass ich eine brauchen sollte.
Jonas Krewood wurde in den Wagen verfrachtet, während ich Dam das Signal gab,
um loszufahren.
„Hat er geschrien?“, hakte Dam nach.
„Er hatte keine Gelegenheit dazu.“ Ich schnaubte amüsiert. „Er war nachdem
ersten Treffer sofort bewusstlos.“
Nein, ich hatte schon wehrhaftere Männer überwältigt, die mir wenigstens etwas
Herausforderung geboten hatten. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, ihn im
hinteren Teil des Wagens zu fesseln, behielt ihn jedoch im Auge. Wie ich
erwartet hatte, kam er während der Fahrt über nicht zu sich.
Am Lagerhaus
angekommen, hatte Juliel schon alles notwendige vorbereitet. Ein beinahe
vollständig dunkles Lagerhaus erwartete uns, ein ordentlicher Stuhl war auf
einer dicken Plastikplane aufgestellt worden.
Sollte es schmutzig werden, würde es das Putzen erheblich erleichtern.
Wir zogen Jonas sämtliche
Kleidung bis auf die Boxershorts vom Körper. Sowohl die Kleidungsstücke als
auch der Mann wurden sorgsam mit einem Scanner untersucht, damit wir etwaige
Wanzen aufspüren konnten.
„Der Kerl hat einen Tracker“, stellte ich nüchtern fest, als das Gerät
ausschlug. Ich ließ meine Krallen ausfahren, um damit in das Fleisch des
Bewusstlosen zu schneiden. Man hatte den Sender nicht zu tief in seinem Körper
eingesetzt, sodass es mir ein leichtes war, ihn zu entfernen. Doch sobald er
Jonas Krewoods Körper verlassen hatte, schien das Signal abzureißen. „Das Ding
ist tot.“ Zur Kontrolle überprüfte ich es mehrfach mit dem Scanner, konnte aber
keinerlei Signal mehr ermitteln. Ein Jammer.
Damit waren sämtliche Möglichkeiten, die Übermittlung zurückzuverfolgen, hinfällig. Auch wenn es für uns zugegeben schwierig geworden wäre, die dafür notwendige Technologie zu verwenden. Selbst nach knapp einem Jahrzehnt in der Menschenwelt, hatten wir diese technischen Spielereien noch nicht vollständig durchschaut. Es war mir ein Rätsel, wie primitive Kreaturen etwas derartiges geschaffen hatten. Aber vielleicht war ihre Primitivität genau das, was uns fehlte, um sie zu verstehen?
Ich setzte den Künstler im Stuhl ab und zog ihn daran mit Liederriemen fest. Es war kein Zufall, dass wir uns eine solche Konstruktion angefertigt hatten. Sie ließ sich der Größe nach verstellen und viel besser öffnen und schließen als schlichte Fesseln. Dazu waren die Lederschichten mit einem metallenen Draht verstärkt worden, der zwar nicht direkt in die Handgelenke unserer Gefangenen schnitt, für einen Menschen jedoch kaum durchzureißen waren.
„Kann sein, dass er noch etwas benommen ist“, erklärte ich an Lyras und Juliel gewandt. „Aber wecken wir ihn ruhig auf.“ Ein gezielter Schlag sollte genügen, um Jonas wieder zurückzuholen. Zeit, den Mann aufzuwecken.
„Darf ich?“ Dam klatschte begeistert in die Hände.
„Bitte, wenn es dich so glücklich macht.“ Ich schnaubte und lehnte mich an die Wand, während Dam dem Kerl einen ordentlichen Klapps gegen die Wange verpasste.
„Herzlich willkommen im Spontan-Urlaub auf unbestimmte Zeit.“ Er grinste schelmisch als er dem irritierten Blick begegnete, der schnell zu einem schockierten Ausdruck wechselte. Damahir trat zur Seite und gab die Bühne für Lyras frei.
Lyras trat genau weit genug an den Mann heran, dass der Lichtkegel ihn nicht vollständig erreichte. So blieb er halb im Schatten verborgen, während er auf den Mann vor sich niederstarrte. Für uns war der komplette Raum überaus gut zu erkennen. Wir benötigten das Licht der Glühbirne, die über Jonas Kopf baumelte, nicht. Für den Menschen jedoch war der Effekt umso furchteinflößender. Der Duft seiner Angst verteilte sich im Raum. Selbst wenn er den starken Mann markiert hätte, wussten wir bereits, in welcher Verfassung er sich befand.
„Ich erkläre dir wie unser Gespräch für dich schmerzfrei verläuft. Stelle ich eine Frage antwortest du klar, präzise und mit allen Details. Tust du das nicht…“ Seine Stimme senkte sich bei den letzten Worten verheißungsvoll. „Wer hat dir die Informationen für das Bild gegeben?“ Lyras hatte noch nie viel von Ausschweifungen gehalten, wenn man sogleich zum Wesentlichen kommen konnte.
Der Wurm vor ihm wirkte umso geschockter und begann zu stammeln „Ich, äh, also…“
„Ts, ts“, zischte Lyras so leise, dass sich die Aufmerksamkeit des Mannes verstärkt auf ihn richtete. „So schwer von Begriff?“
Lyras holte mit der flachen Hand aus und schlug gegen das linke Ohr des Mannes.
Sogleich rann Blut über Krewoods Wange. Seine Augen rissen auf, während seine
Züge sich vor Schmerz verzerrten.
„Wenn du dein Hörvermögen auf dem anderen Ohr behalten willst, beantworte die
Frage“, raunte Lyras ihm zu.
Wie ich nicht anders erwartet hatte,
sprudelten die Worte dieses Mal sofort aus dem Mund des Mannes.
„Das Bild ist nicht von mir! Ich kann nicht malen. Mir werden die Bilder nur
geliefert und ich verkaufe sie dann.“ Seine Stimme steigerte sich zu einem
panischen Kreischen. „Bitte, ihr müsst mir glauben, ich weiß nichts über
Informationen!“ Der Duft nach Furcht und Panik nahm in der Lagerhalle zu.
„Mach seine Hände los“, wies Lyras Dam an. Noch während Damahir der Aufforderung nachkam, reichte Lyras dem Mann Block und Stift in die Hand. „Name, Adresse, Bankverbindung und Sozialversicherungsnummer deines Auftraggebers.“
Das Gesicht des Künstlers wechselte den Teint zu aschfahl, während er den Block anstarrte, als könnte darauf ein spontanes Wunder erscheinen. Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nichts“, quickte er. Sein Blick huschte zu Lyras. „Es ging um Geheimhaltung, ich sollte nicht wissen von wem die Bilder sind. Sie werden geliefert, immer zur gleichen Zeit am gleichen Tag. Am ersten Dienstag im Monat, seit mittlerweile drei Jahren.“ Jonas Krewood japste nach Luft, so schnell hatte er die Worte hervorgepresst.
Seltsam. Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Wurm imstande war, uns in seiner Verfassung anzulügen. Doch wer machte sich die Mühe, einen Zwischenmann für den Verkauf von Bildern zu benutzen? Noch dazu seit drei Jahren? Hatte jemand hier einen bereits bestehenden Kanal genutzt, um uns eine Botschaft zu senden? Wir vier tauschten vielsagende Blicke aus. Wir wussten, was das bedeutete.
Lyras wandte sich Krewood erneut zu. „Also bist du nicht mehr als ein unwissender Strohmann. Nutzlos.“ Er schritt um den Mann herum, hielt sich dabei bewusst hinter ihm, damit Jonas nicht alles sehen konnte, was hinter ihm geschah. Natürlich war Lyras wie uns klar, dass es ineffizient wäre, den Mann jetzt zu töten. Aber Menschen hatten die praktische Angewohnheit, in Todesangst manches hilfreiche Detail fallen zu lassen.
„Ich, also, er wird merken, wenn ich mich nicht melde!“, stammelte Jonas quiekend und verdrehte seinen Hals so weit wie möglich, um Lyras im Auge behalten zu können.
„Richtig. Also wartest du hier und wir schauen, wann jemand nach dir sucht.“ Lyras schlug ihn erneut, dieses Mal direkt gegen die Schläfe, um das Häufchen Elend in die Bewusstlosigkeit zu senden.
„Wie kann ein Mann nur so laut quieken?“ Damahir schnaubte und schüttelte den Kopf. „Wenn ich seine Eier beim Durchsuchen nicht gesehen hätte, würde ich schwören, er hat keine.“
Ich lachte und zuckte mit den Schultern. „Wer auch immer ihn sich ausgesucht hat, hat wohl kaum damit gerechnet, dass Krewood je in diese Lage gerät.“ Dafür war der Kerl zu leicht eingeknickt, nachdem wir Druck ausgeübt hatten.
„Dam, schaff ihn in eine der Gästesuiten. Solange wir nicht wissen, ob ihn
jemand vermisst und wer, ist es nützlicher, wenn er atmet.“
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