Meet and Greet Teil 1 (Nathayen POV)
Egal, wie fähig diese Menschen für ihre Verhältnisse waren, Lyras‘ Tracker waren sie nicht gewachsen. Der junge Mann hatte uns zielsicher an den Ort geführt, den wir für den Ausgangspunkt wichtiger Operationen hielten. Insbesondere, weil nicht viele Gebäude über eine stahlverstärkte Tür am Ende einer Kellertreppe verfügten. Man hätte uns kaum deutlicher präsentieren können, dass es hier etwas gab, das schützenswert war. Am liebsten wäre ich sofort eingeritten und hätte mir sämtliche Personen im Gebäude vorgeknüpft, aber wir konnten nicht riskieren, dass uns die Beute über einen unerwarteten Fluchtweg entwischte. Menschen waren unfassbar unkoordiniert, wenn sie in eine Massenpanik gerieten. Das wäre an sich nicht das Problem gewesen, aber wir wussten nicht genau, nach wem wir hier Ausschau halten mussten. Was also, wenn der Betroffene sich in dem Chaos unseren Zugriff entziehen konnte? Nein, wir mussten mit den notwendigen Vorbereitungen agieren, wenn wir unsere Fänge in die Beute schlagen wollten. Nach all den nichtigen Aufgaben, die uns in der Menschenwelt sonst beschäftigt hielten, freuten sich die meisten von uns sicherlich schon auf die Gelegenheit, sich amüsieren zu dürfen. Viele hatten sich auf unseren Befehl hin um das Gebiet versammelt, bereit sich den kleinen, unbedeutenden Kreaturen zu widmen.
Ich erkannte Myro unter den Wartenden, der mit vielen weiteren Sotarineo im Umkreis, das Gebäude im Auge behielt. In seiner menschlichen Tarnung fiel er mit den kurzen blonden Haaren kaum auf, sofern sich das Gegenüber nicht zu sehr mit den waldgrünen Augen auseinandersetzte, die einem entgegenblickten. Mit all diesen falschen Äußeren musste ich bei manchen unserer Leute zweimal hinsehen, bis ich die wahre Person unter der Maske erkannte.
„Zeit herauszufinden, womit wir es zu tun haben.“ Ich ließ meine Fingerknöchel knacken und grinste, während ich meine Krallen ausfuhr. Mit ihnen schnitt ich mir selbst in die Fingerkuppen, um ein paar Tropfen Blut in meinen Schatten zu tropfen. Aus der dunklen Masse erhoben sich kleine Gestalten, die feste Form annahmen, und doch sämtliches Licht effektiv verschluckten. Ich hatte mich bisher damit zurückgehalten, meine eigene Begabung einzusetzen. Wir beschränkten den Einsatz unserer Magie in der Menschenwelt nur auf das Nötigste, sodass ich mir die Mühe bei Krewoods Entführung nicht gemacht hatte. Diese Situation war anders. Es war um einiges nützlicher, wenn unser Opfer nicht wusste, womit er sich anlegte und wir das Überraschungsmoment für uns nutzen konnten. Zumal es für ein Raubtier nichts Schöneres gab als Beute, die sich voller Furcht in eine Ecke kauerte, während sie versuchte, der Bestie zu entgehen. Wobei ich zugegeben bevorzugte, wenn man sich mir mit allem entgegenwarf, was man aufwarten konnte, bevor wir diesen Punkt erreichten. Welche Herausforderung bot schon ein Gegner, bei dem ich mich nicht anstrengen musste, um ihn zu brechen?
„Darf ich?“ Damahir fieberte schon vor der Stahltür, sodass wir gar nicht konnten, als ihm nickend die Erlaubnis zu erteilen. Er hatte sich in letzter Zeit so häufig zurückhalten müssen, dass ich ihm dieses Vergnügen nicht vorenthalten wollte.
Was viele Menschen abgehalten hätte, hielt vor uns nicht stand. Ein heftiger Tritt von Damahir genügte, um die Stahltür zu verbiegen, uns Zutritt zu verschaffen. Sie mussten schon mehr aufbieten als ein wenig Metall, wenn sie einen Sotarineo aussperren wollten.
Ich war mir sicher, dass ein Alarm angesprungen war, als wir das Gebäude betraten. Man wusste also, dass wir unterwegs waren und doch würde die Kameras keinerlei Bilder übermitteln, dafür würden meine kleine Schatten Sorge tragen. Mein Blick wanderte zu meinem Sevjehal herüber, als ich hörte, dass man Lyras Informationen lieferte. Anscheinend verließen Fahrzeuge das Gelände und ich vernahm, wie mein Waffenbruder ihre Verfolgung anordnete.
Das war eine interessante Wendung des Geschehens. Hatte man mit unserer Ankunft gerechnet? Oder waren sie schlichtweg auf Besucher vorbereitet?
Man bereitete uns jedenfalls einen angemessenen Empfang: Eine Vielzahl von Maschinengewehren ging los, die menschliche Eindringlinge durchsiebt hätten, sobald sie näher ins Gebäude vordrangen.
Ich hingegen spürte nur, wie die Vorfreude sich in mir ausbreitete. Der Moment, in dem wir uns auf die Beute stürzen konnten und die Erkenntnis der Niederlage in ihren Augen genießen würden – er konnte nicht schnell genug kommen. Es war dennoch eine herrliche Aufwärmübung, den Schüssen zu entgehen und die Vorrichtungen zu zerlegen. Das letzte, womit diese niederen Kreaturen gerechnet hatten, war, das jemand diese Mechanismen überwinden konnte. Ich freute mich schon zutiefst auf die Gesichter, die sie machen würden, wenn ich ohne einen einzigen Kratzer in das Innere ihres Verstecks vordrang. Würde die Verzweiflung ihre Züge erobern? Oder begriffen sie bis zur letzten Sekunde nicht, welchem tödlichen Raubtier sie gegenüberstanden? Es war höchste Zeit es herauszufinden.
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