Meet and Greet Teil 2 (Nathayen POV)
Letztlich führte unser Weg tiefer in das Gebäude, ohne dass uns jemand aufhalten konnte. Überraschend war jedoch, dass es nicht einmal jemanden gab, der es explizit versuchte. Beinahe als hätten sich alle Lebewesen aus dem Hauptquartier evakuiert, damit wir am Ende mit leeren Händen dastanden. Nun, hier würde sich die gute Vorbereitung wohl auszeichnen, dann anstatt am Ende zu entkommen, war ich mir sicher, dass Myro und unsere fleißigen Helfer die Menschen längst eingesammelt hatten. Oder zumindest genau wussten, wo sie sich aufhielten, um jederzeit auf unseren Befehl hin zuschlagen zu können. Wenn es niemanden mehr gäbe, den wir hätten finden können, hätte Juliel uns längst darauf hingewiesen. Ein Seitenblick zu ihm bestätigte mir unter einem Nicken, dass sich noch jemand im Gebäude befand. Er hob einen einzelnen Finger an. Eine Person also? Das war überraschend, ich bezweifelte, dass jemand hier geblieben war, weil er das Signal zur Flucht überhört hatte. Warum also war ein einzelner Mensch hier, nachdem alle anderen geflohen waren? Womöglich mussten wir mit einer Kamikaze-Aktion rechnen, bei der der Letzte versuchen würde, sich selbst zu eliminieren, um uns mit in den Tod zu reizen. Es würde zu Unannehmlichkeiten führen, aber ich war zuversichtlich, dass es uns gelingen würde, das Problem zu überstehen. Dennoch war es besser, eine gewisse Restvorsicht walten zu lassen.
Der Ort vermittelte mir den Eindruck, dass seine Besitzer hier vor allem den Eindruck auf praktischen Nutzen legten. Nichts anderes hatte ich von einem Versteck erwartet, sodass ich mich nicht darüber wunderte, dass die einzigen Dekorationen Fallen waren, die unerwünschten Besucher den Kopf kosten sollten. Für einen Menschen mochte die Aufmachung hier beeindruckend und tödlich sein. Ich hingegen fühlte mich wie in einem kleinen Trainingsszenario in einem fremden Umfeld. Ein wenig wie jene, die wir in Kindertagen gemeinsam in den Simulationsräumen unserer Heimat durchlebt hatten. Nur, dass wir uns dieses Mal wirklich im Einsatz in einer anderen Welt fanden. Der Schwierigkeitsgrad unserer Testreihen war dabei höher als der Widerstand, den man uns jetzt bot. Ich fühlte mich eher wie auf einem Spaziergang. Einem nostalgischen Spaziergang, der mich in Hochstimmung versetzte. Ich musste mich ermahnen, nicht zu vergessen, dass es andere Gründe haben könnte, warum unser Vordringen derart leicht gelang.
Unser Weg setzte sich durch graue, schmucklose Flure fort, bis wir einen großen Raum betraten, der wohl gleichermaßen als Büro wie als Besprechungszimmer diente. Ein großer Konferenztisch mit acht Plätzen vermisste jegliche Teilnehmer. Ganz im Gegensatz zu dem dunklen Schreibtisch aus Mooreiche, hinter der noch immer eine Person saß, wie Juliel vorher gesagt hatte. Hinter dem jungen Mann mit schwarzen Haaren und tiefblauen Augen ragte ein großer Bildschirm an der Wand auf, dem ich zunächst keinerlei Beachtung schenkte.
Das Erste, was mir an dem Fremden auffiel, war die Abwesenheit von Angst in seinen Zügen. Noch stärker erstaunte es mich, dass ich sie ebenso wenig an ihm riechen konnte. Egal, wie gut Menschen schauspielerten, ihre Gerüche verrieten unseren empfindlichen Nasen immer, wann sie uns etwas vormachten. Wer auch immer dieser Mann war, er wirkte weder furchtsam noch hatte er mit seinem Leben abgeschlossen, der Kampfeswille schwang zu sehr in seiner Haltung mit.
„Oh, ihr seid also tatsächlich nicht 12 Jahre alt.“ Die Worte, die man an uns richtete, zeigten keinerlei Sorge. Vielmehr lenkten sie meine Aufmerksamkeit auf das Display hinter ihm.
Unsere Sozialversicherungsnummern? Jemand hatte nachgeforscht. Dazu eine Menge weiterer Daten, die bewiesen, dass sich unser Gesprächspartner einiges über uns zusammengesammelt hatte.
Ich schnaubte amüsiert, trat auf den Mann vor mir zu und starrte auf ihn nieder, als könnte mein Blick allein ihn in die Knie zwingen.
„Sieh an. Man scheint, du weißt bereits, mit wem du das Vergnügen hast. Leider kann ich nicht behaupten, es beruht auf Gegenseitigkeit.“ Der Geruch von Farben und Lösungsmitteln stieg in meine Nase. Hatte ich noch irgendeinen Zweifel daran besessen, dass wir auf der richtigen Spur waren, tilgte sich dieser. „Wir sind auf der Suche nach dem Künstler hinter Jonas Krewood und irgendetwas sagt mir, du kannst uns dabei weiterhelfen.“
Ich starrte ihn erwartungsvoll an. Lyras, Juliel und Damahir hatte hinter mir Stellung bezogen, hielten sich im Hintergrund, während ich versuchte, etwas an seinen Zügen abzulesen. Wie viel wusste er? Wenn er dieses Bild malen konnte und herausgefunden hatte, dass unsere offiziellen Identitäten nicht existierten, hatte er eine Ahnung, mit wem er es wirklich zu tun hatte?
Anstatt auf meine Frage einzugehen, blieb die Gestalt am Schreibtisch überraschend gelassen. „Mister Walker, Mister Jefferson, setzen sie sich. Im Stehen spricht es sich schlechter.“ Der Mensch wandte sich an die beiden Brüder und nickte auch ihnen zu, um die Aufforderung auf sie auszuweiten. Doch keiner von uns dachte auch nur daran, dieses Angebot anzunehmen. Sie zu setzen hätte bedeutet, ihn als gleichwertigen Gesprächspartner zu betrachten – und das Letzte, was seine Rasse jemals sein könnte, war etwas uns Gleichgestelltes. Welch närrische, schwache Kreaturen sie doch waren zu glauben, der Hase könnte den Wolf an einen Tisch bitten.
„Nein danke. Ich finde, im Stehen kommt man viel schneller zum Punkt. Wir sind nicht hier für einen netten Plausch. Aber ich schätze, das wusstest du bereits.“ Warum sonst hätten mit unserer Ankunft so viele Fahrzeuge das Gelände verlassen sollen? Wer auch immer der Mann war, er hatte sich auf uns vorbereitet und das bestärkte meinen Verdacht, dass er einen sotarineonischen Informanten besaß. „Je eher du uns verrätst, wonach wir suchen, desto früher sind wir fertig.“ Ich ließ jedoch bewusst offen, wie dieses fertig aussehen würde. Seine Überlebenschancen waren maßgeblich daran gebunden, was er uns enthüllen würde.
Die anderen drei warteten weiter ab. Ein Mensch war es nicht wert, dass sich gleich zwei von uns mit ihm abgaben und ein jeder von ihnen traute mir zu, mit einer einzelnen Person fertig zu werden.
Der junge Mann verzog keinerlei Miene und deutete stattdessen auf den Bildschirm hinter sich. „Ich hoffe, es ist in Ordnung, Sie mit ihren Decknamen anzusprechen. Oder möchten sie mir ihre eigentlichen Namen verraten?" Er wirkte amüsiert, als genoss er es, unsere Tarnung durchschaut zu haben. „Ich kenne Mister Krewood. Er hat in Aktien meiner Firma investiert. Ich pflege einen engen Kontakt zu meinen Aktionären. Allerdings habe ich ihn seit einiger Zeit nicht mehr gesprochen.“
„Das verwundert mich nicht“, gab ich zurück. Ich schenkte ihm ein süffisantes Grinsen. „Aber Mr. Krewood selbst ist mir vollkommen gleich. Was ich will, ist der wahre Künstler, der hinter seinem Bild steckt. Mr. Krewood könnte nicht einmal malen, wenn sein Leben davon abhinge.“ Das hatten wir schließlich persönlich überprüft. Wie lange würde der Mann noch den Unwissenden spielen wollen? Wenn er sich dumm stellte, würden wir wohl zu anderen Mitteln greifen müssen, um die Wahrheit herauszufinden.
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