Nicht menschlich Teil 2 (Casey POV)
„Sotarineo“, hörte ich leise und die Klinge, die dieses Mal auftauchte, landete an meinem Hals. Ich hob den Kopf ein wenig und beobachtete die Gestalt, die neben Nathan in mein Blickfeld trat.
„Offensichtlich wusste er weniger als wir dachten“, sagte sie und ich bemerkte, dass ihre Haare von Blond zu Pechschwarz gewechselt hatten. Sein Gesichtsausdruck war allerdings immer noch genauso finster und kalt wie auf dem Bild, das ich im Büro gesehen hatte, weswegen es mir leichtfiel, ihn als Lukas Jefferson zu identifizieren.
„Scheint so“, merkte Nathan Walker an, während er mich musterte. „Das Mysterium, wie er zeichnen konnte, was er unmöglich wissen kann, bleibt jedoch bestehen.“ Mit diesen Worten begann er sich nachdenklich das Kinn zu reiben und ich hatte das Gefühl, in einer äußert surrealen Situation gefangen zu sein.
Ich versuchte mich in ihr Gespräch einzumischen, doch scheinbar hatten sie mit ihrem menschlichen Äußeren auch ihre Hörfähigkeit abgelegt, denn sie ignorierten mich völlig.
„Wir sollten ihn mitnehmen. Was auch immer dieses Phänomen bedeutet, wenn wir ihm nicht auf den Grund gehen, könnten böse Überraschungen unsere Vorhaben gefährden.“ Mit diesen Worten suchte Nathan wieder Augenkontakt zu Lukas Jefferson.
Der Blick, den dieser mir zuwarf, war so hasserfüllt, dass ich mich fragte, ob er ein persönliches Problem mit mir hatte oder er Menschen allgemein abstoßend fand.
„Einverstanden. Und so wie es aussieht, wusste er nichts von unserer wahren Identität, was bedeutet, dass seine kleine Falle nutzlos geworden ist.“
Ich ahnte nichts Gutes bei diesen Worten.
„Was ich nicht weiß, kann ich auch unter Folter nicht verraten.“ warf ich ein.
„Ruhe“, zischte daraufhin Lukas und der Druck der Klinge an meinem Hals wurde intensiver. Jetzt konnte ich auch erkennen, dass es sich bei der Klinge um die Spitze eines Speeres handelte. Bei genauerer Betrachtung stellte ich fest, dass es sich um eine Doppelklinge handelte, lang, mit geschwungenen Klingenblättern. Der Schaft war schwarz, schien von blutroten Adern durchzogen zu sein. Die Klingen schimmerten je nach Lichtwinkel entweder schwarz oder dunkelrötlich. Eine solche Waffe hatte ich noch nirgendwo gesehen, obwohl die Speerspitzen auf beiden Seiten entfernte Ähnlichkeiten zu Glefen aufwiesen.
In diesem Moment kamen die anderen beiden zu unserer Unterhaltung und einer von den Pierce-Brüdern schien mit der Entwicklung des Abends außerordentlich zu zufrieden. „Da wird sich Krewood freuen!“
Den hatte ich zuletzt völlig vergessen. Dass er mich nicht kannte und deswegen nichts mit mir anzufangen wusste, erklärte ich den Herrschaften nicht. Mit der Klinge am Hals war ich in einer Position, in der nachdenken und schweigen klüger war als plappern.
Mich flankierend eskortierten die vier mich dann jedoch zu ihrem Auto, das völlig intakt vorn an der Straße stand. Von meinem Haus konnte ich das nicht behaupten. Es war zerstört und brannte heftig. In der Ferne konnte ich bereits die Feuerwehrsirenen hören, was mich zu dem Gedanken brachte, wie sie die Leichen der Monster verstecken wollten. Als ich mich jedoch umsah, war von den Viechern nichts mehr zu sehen. Auch die Wesenheit, mit der ich mir den ungleichen Kampf geliefert hatte, war verschwunden. Hätte ich nicht Schmerzen am ganzen Körper gehabt und würde die vier seltsamen Gestalten direkt neben mir sehen, hätte ich glauben können, dass ich mir das Ganze nur eingebildet habe. So stellte sich die Situation jedoch als bittere Realität heraus.
Dazu passend war auch das mit einem breiten Grinsen und seltsamer Begeisterung vorgetragene Kommentar, dass der eine Bruder zum anderen gab.
„Hast du gesehen, wie schnell ich seinen Schädel erwischt habe, Ju?“
Daraufhin tätschelte dieser ‚Ju‘ ihm nickend die Schulter. Die beiden schienen trotz der betont distanzierten Reaktion äußert vertraut miteinander zu sein. Der gewohnte Stich ging durch mein Herz, während ich die brüderliche Interaktion beobachtete, bevor ich den Blick abwandte. Manche Wunden heilten nie.
Im nächsten Augenblick hatte ich jedoch andere Sorgen als die Autotür geöffnet wurde und ich zwischen den Pierce-Brüdern Platz nehmen musste.
Das Auto mit Nathan Walker am Steuer startete und kurz darauf, begann er zu telefonieren.
„Was soll das heißen, ihr habt sie verloren?“ Unwillkürlich entspannte ich mich ein wenig und schaute gelassener in das, was mich da erwartete. Wenn Judith und die anderen nicht in der Hand dieser Wesen waren, konnten sie niemanden als Druckmittel gegen mich einsetzen. Auch hier wurde wieder einmal bewiesen, dass akribische Planung und Vorbereitung sinnvoll waren.
„Verstehe. Nein, alles gut. Wir haben, was wir wollten. Haltet dennoch die Augen und Ohren offen.“
Damit legte er auf und im Auto wurde es still. Es roch unangenehm nach den Viechern und ich stellte nebenbei fest, dass alle vier wieder ´menschlich´ aussahen. Offensichtlich ging die Verwandlung so schnell, dass man sie nicht bemerkte, wenn man nicht hinsah.
Langsam hörte das Adrenalin auf meinen Körper aufzuheizen und ich merkte, wie Erschöpfung und Schmerzen durch meine Glieder flossen. Die beiden Brüder ließen mich nicht aus den Augen und auch die Blicke, die mir Nathan durch den Rückspiegel zuwarf, waren eiskalt. Trotzdem verschränkte ich die Arme und lehnte den Kopf hinter mir an die Stütze.
So wie Lukas geklungen hatte, hätte ich bald einiges vor mir. Es war besser so ausgeruht wie möglich zu sein, auch wenn ich mitnichten vorhatte in diesem Auto zu schlafen.
Die Fahrt verging schneller, als ich erwartet hatte und wenig später hielt das Auto vor einem Apartmentkomplex in der New Yorker Vorstadt. Unten stand bereits ein gewöhnlich aussehender, blonder Mann, der mit seiner unbeeindruckten Reaktion auf die völlig zerrissene Kleidung und unsere mit grünem Blut besudelten Körper verriet, dass er genauso wenig menschlich war wie meine vier Begleiter. Auch die waldgrünen Augen in seinem Gesicht wirkten zu strahlend für einen normalen Menschen.
Wortlos wurde ich ins Innere gebracht und in einem Wohnzimmer eingesperrt, das nur über ein großes Sofa sowie einen Fernsehschrank mit TV verfügte. Scheinbar befürchtete niemand, dass es mir gelingen könnte von hier zu fliehen. Eine Stunde lang hörte ich sie abwechselnd duschen gehen, während sich angeregt vor der Tür unterhalten wurde. Die Worte konnte ich nicht verstehen, es war weder Englisch noch sonst eine Sprache, die ich je gehört hatte.
Während sie sich wuschen, nutze ich die Gelegenheit und säuberte mich mit einer Wolldecke, die auf dem Sofa lag. Nachdem Gesicht, Arme und Hände von dem grünen Blut befreit waren, zog ich mein Hemd aus und warf es mit der Decke aufs Sofa. Unter dem Hemd trug ich ein einfaches schwarzes T-Shirt, was auch die grünen Blutflecke gut verbarg. Kurz nachdem ich damit fertig war, öffnete sich die Tür und ich wurde wieder wortlos zum Auto begleitet. Mir war es lieber so. Es gab nichts, was ich mit diesen Männern zu besprechen hatte.
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