In einem kleinen Ort lebte einst ein Tischler, der weit über die Grenzen seiner Heimat für sein handwerkliches Geschick berühmt und geschätzt war. In seiner kleinen Werkstatt baute er alles aus Holz was die Bewohner aus dem Ort und von außerhalb benötigten. Er stellte Schränke, Tische, Stühle und Truhen aller Art her, aber auch Türen und Fensterläden fertigte er, und wenn nötig kam er auch zu seinen Kunden um Fußböden und Fenster instand zu setzen. Seine Arbeit war dabei von so hoher Qualität und Schönheit, dass die Menschen auch wochenlange Wartezeiten für seine Dienste auf sich nahmen, und bereit waren jeden Preis zu zahlen. Doch weil er ein bescheidener und anständiger Mensch war, nahm er nie mehr Geld als er und seine Familie benötigten. Auch lebte er bescheiden in einer kleinen Wohnung über seiner Werkstatt, zusammen mit seinem Partner, den zwei Kindern und der alten Katze Mina. Ihr Leben war schlicht, aber glücklich und ohne Entbehrungen.
Der gute Ruf des Tischlers hatte sich weit im Land verbreitet, und so kam eines Tages ein reicher Ratsherr aus einer großen Stadt in das Dorf. Der Ratsherr ging zusammen mit seinem Diener direkt zu dem Tischler und sprach zu ihm: „Meine Tochter wird nächste Woche Hochzeit halten, und eins meiner Geschenke an sie soll eine prächtige Kommode mit Schnitzwerk und prächtigen Einlegearbeiten sein. Diese Kiste voll Gold hier werde ich Dir heute geben, und eine weitere in zehn Tagen, wenn die Kommode fertig sein soll.“
Der Tischler sah den Ratsherrn bekümmert an, und nach einem Moment des Nachdenkens sagte er: „Herr, Euer Auftrag ehrt mich, doch sind meine Auftragsbücher voll. Frühestens in einem Monat könnte ich Euren Auftrag beginnen, denn ich gab anderen mein Wort, dass bestellte Schränke und andere Möbel zur abgemachten Zeit gefertigt werden. Daher muss ich Euer Anliegen leider ablehnen.“
Der Ratsherr versuchte alles um den Tischler umzustimmen, bot ihn zuerst mehr Gold, versuchte es dann mit Drohungen, und als das nichts bewirkte flehte er auf Knien. Doch all das half nichts, der Tischler blieb bei seiner höflichen Ablehnung.
Enttäuscht und wütend verließ der Ratsherr zusammen mit seinem Diener die Werkstatt, und als sie beide sich auf den Heimweg machten, sprach der Ratsherr: „Dafür wird der Tischler büßen, mich einfach abzuweisen! Rächen werde ich mich und sein Schaden soll mein Vergnügen sein!“
Auf der Heimreise hatte der Ratsherr viel Zeit um seine Rache zu planen, und nachdem er in die Stadt zurückgekehrt war, ließ er umgehend nach einem alten Zauberer schicken. Dieser war stadtbekannt für seine Geldgier und für seine Kenntnisse der schwarzen Magie. Als der alte Zauberer eintraf, sagte der Ratsherr zu ihm: „Ich will Rache an einem Tischler, der meine Wünsche abgeschlagen hat. Erdenke eine Möglichkeit ihm zu schaden, und die Kiste Gold, die der Tischler abgelehnt hat, soll deine sein!“
Der alte Zauberer brauchte nicht lange um einen Plan zu erdenken und in die Wege zu leiten. Schon am selben Abend stand er in seinem schäbigen Studierzimmer, sprach mehrere Beschwörungen, und dann stand eine kleine kastenförmige Tischuhr vor ihm. Er schlug sie in Papier ein, befestigte eine Widmung, und ließ noch in der selben Nacht einen Boten die Uhr zur Werkstatt des Tischlers bringen. Voller Boshaftigkeit rieb der alte Zauberer sich die Hände, das Gold war so gut wie sicher sein.
Am nächsten morgen stieg der Tischler wie jeden Tag die hölzerne Außentreppe zu seiner Werkstatt hinab. Er wollte gerade die Tür aufschließen, da entdeckte er das Paket, welches direkt vor seiner Werkstatttür lag. Er nahm es auf, und las die Widmung auf der Karte: „Nehmt diese kleine Geschenk als Anerkennung Eurer Handwerkskunst, von einem stillen Bewunderer.“
Drinnen packte er das Paket aus, und als er die Uhr sah, erfreute er sich daran. Er zog sie auf, stellte sie nach einem Blick aus dem Fenster auf die Turmuhr ein, und stellte sie auf ein Regal über seiner Werkbank. Beschwingt nahm er seine Arbeit auf, und nichts weiteres geschah an diesem Tag. Mit einer Ausnahme. Am späten Nachmittag kam Mina, die alte Katze, in die Werkstatt. Mina kümmerte sich selten um die anderen Mitglieder der Familie, und nur manchmal erlaubte sie einem der Kinder sie zu kraulen oder mit ihr zu spielen. Doch trotzdem hatten alle die alte Katze gern, und auf ihre eigene Weise mochte Mina wohl auch die Familie. Mina kam nun also in die Werkstatt, wie sie es oftmals tat, doch als sie in die nähe der Uhr kam, veränderte sich ihr verhalten. Sie machte einen krummen Rücken, ihr Fell sträubte sich und sie fauchte aufgeregt in Richtung der Uhr. Dem Tischler kam dies zwar seltsam vor, doch scheuchte er Mina aus der Werkstatt, um in Ruhe zu arbeiten.
Nichts weiter geschah, und als es Abend wurde, legte der Tischler seine Arbeit nieder und ging nach oben.
Spät in der Nacht, als alles schlief, geschah etwas in der Werkstatt. An der Uhr begann sich langsam eine kleine Tür zu öffnen, und daraus hervor kam eine Kreatur, ein Kobold um genau zu sein. Mit großen Augen sah er sich in der Werkstatt um, genau überlegend, was er als erstes kaputt machen könnte. Denn genau das war seine Aufgabe: Zerstören! Möbel, Werkzeuge und Maschinen sollte er zerschlagen, nichts in der Werkstatt sollte noch brauchbar sein nach dieser Nacht, und auch im Rest des Hauses sollte der Kobold sein destruktives Werk fortsetzen. Er würde dies nicht aus Boshaftigkeit tun, doch er kannte nichts anderes, denn er war einzig aus diesem Grund erschaffen und hierher geschickt worden. Der Kobold sollte die Lebensgrundlage des Tischlers und alles was diesem lieb und teuer war zunichte machen, als Rache für den abgewiesenen Ratsherrn.
Der Kobold überlegte, womit er anfangen würde, dabei schlenderte er über die Werkbank, verbog einen Schraubendreher hier, zerbrach eine Säge da. Er dachte nicht über die Pein nach, die er dem Tischler mit seinem Zerstörungswerk bereiten würde, dazu war sein Koboldverstand auch gar nicht fähig, er empfand nur Vorfreude auf das Beschädigen und Zunichtemachen.
Mit koboldartigem Geschick warf er einen Schrank um, welcher viel größer war als er selbst, verursachte dabei aber keinerlei Geräusch. Denn diese Fähigkeit hatte der alter Zauberer dem Wesen gegeben, nämlich dass kein Mensch sein Tun bemerken würde, ehe es zu spät wäre.
Der Kobold rieb sich freudig die Hände als er über den Trümmern des Möbelstückes stand, doch dann hörte er plötzlich ein Geräusch aus dem hinteren Teil der Werkstatt. Er sah in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war, und meinte etwas im dunkeln umherschleichen zu sehen. Es war schwer zu erkennen, was sich da bewegte, doch hatte das Wesen Schwierigkeiten, den Bewegungen des Etwas zu folgen, das da von einer dunklen Ecke zur nächsten huschte, sich hinter Möbeln und anderen Gegenständen versteckend, während es sich langsam an den Kobold heranpirschte. Er war verunsichert, den plötzlich hatte er das huschende Etwas aus den Augen verloren. In diesem Moment hörte er hinter sich ein leises Fauchen. Erschrocken drehte der Kobold sich langsam um, und erblickte eine große schwarze Katze, die ihm mit ausgefahrenen Krallen böse Blicke zuwarf.
Es war Mina, die Katze des Tischlers.
Mina musterte die Kreatur genau, schon am Nachmittag war ihr die Anwesenheit von etwas übernatürlichem aufgefallen. Katzen haben ein Gespür für solche Dinge, und so blieb ihr der Kobold nicht lange verborgen. Sie hatte das Treiben des Kobolds eine Zeit lang beobachtet, und war nun entschlossen, etwas gegen diesen Störenfried zu unternehmen. Mina würde es nicht dulden, dass ein anderer außer ihr etwas in ihrem Haus zerstören würde, und womöglich gemein zu ihren Menschen sein würde, ein Privileg, welches selbstverständlich nur der alten Katze zustand.
Für Mina stand also fest, dass diese kleine Kreatur aus dem Haus zu verschwinden hatte, und sollte dafür Gewalt nötig sein, wäre das für die alte Katze kein Hindernis.
Der Kobold begann langsam zu verstehen, dass er möglicherweise vor großen Schwierigkeiten stand, als Mina plötzlich einen Satz auf ihn zu machte. Die kleine Kreatur sprang zur Seite und begann panisch über Möbel und Werkbänke zu fliehen, Mina dicht dahinter. Die alte Katze scheuchte den Kobold kreuz und quer durch die Werkstatt, verpasste ihm hier und da einen Schlag mit der Pfote oder einen Kratzer über den Rücken, ließ ihn aber immer wieder ein Stück voraus laufen. Schon lange hatte Mina nicht mehr eine solche Freude am Jagen empfunden, sie fühlte sich so jung wie lange nicht mehr. Doch nach kurzer Zeit beschloss sie, dass es an der Zeit war, dass die kleine Kreatur aus ihrem Haus zu verschwinden hatte. Mit einem kräftigen Satz sprang sie dem Kobold in den Rücken, hielt ihn am Boden fest, und wollte ihm gerade ein Ende setzen, als sich die Werkstatttür öffnete.
„Was ist hier los?“, rief der Tischler, als er mit einer Laterne in der Hand die Werkstatt betrat, sein Partner und die Kinder dicht hinter ihm. Der Radau von Minas Jagd hatte sie aufgeweckt, und so waren sie nachsehen gegangen, was die Ursache des Tumults war.
Mina sah sie mit ärgerlichen Blick an, sie fühlte sich gestört bei ihrem Spiel mit dem Kobold.
Der Blick des Tischlers ließ sie inne halten, und als dieser die Zerstörungen in der Werkstatt, die offen stehende Uhr und den zerkratzten und zerbeulten Kobold sah, war er sich sicher, alle Zusammenhänge zu verstehen. Er war nämlich nicht nur ein äußerst geschickter Handwerker, sondern hatte auch einen klugen und wachen Verstand.
Er ging zu Mina hin, nahm trotz ihrer Proteste den Kobold auf und sagte zu ihm: „Ich ahne, wem ich deinen Besuch zu verdanken habe. Du wirst nun diese Haus verlassen, wenn dir dein Leben etwas wert ist, wenn nicht, darfst du weiter mit Mina spielen.“ Dann brachte der Tischler den Kobold vor die Tür und setzte ihn ab, wo dieser so schnell er noch konnte und mit ängstlichen Blicken in Richtung Mina in der Nacht verschwand, und in diesem Dorf nie wieder gesehen wurde.
Die gesamte Familie dankte derweil der alten Mina, dass sie die Heimsuchung durch den Kobold abgewehrt hatte, sie kraulten ihr den Kopf und versprachen ihr so manche Belohnung. Mina gab sich ihren Menschen gegenüber nach außen hin gleichgültig, doch im Stillen genoss sie das Lob und die Zuneigung sehr, denn auch sie liebte ihre Menschen, auf eine katzenartige Weise.
Und so legte sich die Familie wieder Schlafen, und Mina rollte sich in der Werkstatt zusammen, ihren Triumph genießend.
Am nächsten Morgen nun kamen der Ratsherr und der alte Zauberer zurück in den Ort, um sich vom Zerstörungswerk des Kobolds zu überzeugen. Doch an der Werkstatt des Tischlers angekommen, sahen sie, dass alles in bester Ordnung war. Die zerschlagenen Möbel hatte der Tischler bereits repariert, die defekten Werkzeuge ersetzt, und die Kunden gingen ein und aus. Der Ratsherr erkannte, dass er um seine Rache gebracht wurde, und diesen Moment trat der Tischler zu ihnen, mit der Kobolduhr in der Hand, und sprach: „Ich vermute dass diese Uhr Euer Geschenk an mich war. Ich möchte sie Euch zurückgeben und Euch bitten, von weiteren Geschenken dieser Art abzusehen. Guten Tag.“
Der Ratsherr zog wütend davon, auf den Tischler und den Zauberer schimpfend, der natürlich kein Gold bekam, und beide wurden in dem Ort nie wieder gesehen.
Der Tischler und seine Familie jedoch lebten noch lange glücklich in ihrem Haus, und Mina bekam noch so manche Belohnung und wurde von allen geliebt, auch wenn sie dies nicht immer erwiderte.
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