„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen Champagner getrunken.“ Gesteht Valerie.
„Ich auch nicht.“ Sage ich lachend. „Aber wenn man schon damit anfängt, muss man auch einen der Guten nehmen!“ Wir kichern und kehren zurück an unseren Platz auf dem Balkon.
„Wenn ich hier wohnen würde, säße ich jede Nacht hier oben und würde Tee trinken und lesen.“ Sagt Valerie träumerisch. „Du hast so eine großartige Aussicht!“ Sie deutet weiter nach links, wo die Universität als hohes, erleuchtetes Schloss mit ihren vier Türmen aufragt.
„Es gibt noch eine bessere Aussicht.“ Sage ich schmunzelnd. „Sogar drei bessere Aussichten!“
„Ach wirklich? Valerie dreht sich interessiert zu mir.“ Ich nicke wissend. „Drei Schöne Aussichten für noch drei von unseren übriggebliebenen Feiern. Du kannst darauf gespannt sein. Passt doch perfekt!“
„Ich kanns kaum erwarten!“ Valerie lacht und nimmt einen weiteren Schluck Champagner.
„Was hast du die ganze Zeit über gemacht?“ frage ich sie. „Was verschlägt dich hierher?“
„Ich war in Frankfurt und hab mein Abi gemacht,“ beginnt sie, doch plötzlich wird sie durch eine wütende Frauenstimme unterbrochen. Die Rufe kommen aus dem Garten unter uns. Erschrocken fahren wir auseinander. Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die Rothaarige von vorhin mit dem schrägen Typen diskutiert und dann wütend davonstürmt.
„Yara.“ Sagt Valerie. „Ich muss zu ihr.“ Sie sieht mich entschuldigend an und leert ihr Glas in einem Zug. „Es tut mir leid, ich muss gehen.“
-Warte- denke ich. Mir fallen keine Worte ein, um sie noch länger bei mir zu behalten. Ich würde so gerne noch mehr von ihr wissen! Was studiert sie? Sehe ich sie wieder? Doch sie stellt das Glas auf dem Tisch in der Mitte des Raumes ab und eilt zur Tür. Sie winkt noch einmal schnell zu mir zurück, dann ist ihr blonder Haarschopf durch die Tür verschwunden. Ich sehe mich hektisch um, schließe schnell das Fenster und eile ihr nach.
Wie kann man trotz dieser High-heels nur so schnell sein? Frage ich mich, als ich beide Treppen nach unten stürme, um sie wenigstens noch nach ihrer Nummer zu fragen.
Panisch drängele ich mich zwischen knutschenden Pärchen auf der Treppe und tanzenden Menschen im Einangsbereich durch. Ich arbeite mich in die Küche vor, doch hier ist sie nicht. Dann ins Wohnzimmer, nebenan ins Billiardzimmer, doch keine Spur von ihr. Frustriert fluche ich leise vor mich hin, als Aaron mich am Arm packt. Erschrocken fahre ich herum.
„Suchst du die kleine Blonde?“ fragt Aaron. Er muss meinen Blick gesehen haben. „Sie ist gerade zur Haustür raus. Mit der Rothaarigen von vorhin.“ Er nickt zur Tür. Ich klopfe ihm dankend auf die Schulter und bahne mir meinen Weg bis zur Haustür durch. Mann, dieses Haus ist so riesig und so vollgestopft mit Leuten! Das ist der Grund, warum ich Menschen nicht leiden kann. Außer Valerie.
Draußen umweht ein kühler Herbstwind mein Gesicht, als ich mich nach ihr umsehe. Ein paar Leute stehen rauchend vorm Eingang und sehen mich irritiert an, als ich herausgerannt komme und mich auf der Straße nach beiden Richtungen umsehe. In etwa hundert Metern Entfernung sehe ich ein Paar knallrote High Heels in einem Taxi verschwinden. Ich laufe los, ohne groß darüber nachzudenken. Hoffend, dass ich sie erreiche, bevor sie losfahren, aber ich komme zu Spät und das Taxi fährt davon.
Außer Atem stütze ich die Hände auf den Knien ab, sehe dem Auto hinterher und ringe nach Luft. Gott, ich habe echt überhaupt keine Ausdauer.
Verflucht!
Sie ist schon wieder verschwunden.
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