Kapitel 2: Das Labor
Der Rest der Nacht vergeht wie in Trance. Die Typen vor dem Haupteingang lassen irgendwelche blöden Kommentare über mich ab, die ich nicht einmal mitbekomme. Ich sehe dem Auto noch fünf grausame Minuten hinterher, dann schleppe ich mich zurück ins Haus. Die Menschenmenge wird etwas weniger, aber noch immer zu viele für meinen Geschmack. Ich nehme immer zwei Stufen auf einmal die Treppe hinauf, schließe mein Zimmer auf, schnappe mir Watson und meinen Rucksack, schließe wieder ab und verlasse diese bescheuerte Party ein für alle Mal.
Ich sehne mich nach vertrautem Terrain voller Ruhe und Frieden. Um darüber nachzudenken, ob ich die letzte Stunde nur geträumt habe oder Valerie tatsächlich hier war. Der einzige Ort, der dafür infrage kommt, ist das winzige Labor, fast am Ende des Flurs im siebten Stock der Chemiefakultät. Unser Arbeitskreis teilt sich vier kleine Laborräume. Doch da wir Buchstäblich nur zu dritt sind: Professor Dr. Eberhardt, mein Kollege Dr. Henry Müller und Ich, gehört mir einer der Räume zur freien Verfügung.
Wie in jedem Labor gelten hier die typischen Laborregeln: keine Speisen und Getränke im Labor, zum Beispiel. Doch Das interessiert mich gerade herzlich wenig, als ich mich auf das kleine Sofa an der rechten Wand fallen lasse und meinen Kater aus dem Rucksack befreie. Protestierend Miaut Watson, dass ich ihn so ohne Vorwarnung mitgenommen habe. Doch ich kenne ihn. Er kriegt sich schnell wieder ein und rollt sich neben mir auf dem Sofa zusammen, wo er weiterschläft. Er kennt mein Labor wie seine Westentasche. Er wohnt sozusagen hier. Mit mir.
Ich durchsuche meinen Rucksack nach etwas essbarem oder einer weiteren Dose Energy, doch als ich nichts finde lasse ich mich stöhnend zurückfallen und streiche Watson über den Rücken. Stimmt ja, ich hatte schon im Verbindungshaus keinen Energy Nachschub mehr. Nach all dieser Aufregung und der Begegnung mit Valerie könnte ich jetzt sowieso nicht schlafen. Also kann ich auch genauso gut arbeiten.
Ich seufze und reibe mir einmal mit den Händen über die Augen. Der Mitarbeiterkühlschrank auf dieser Etage hat doch sicher irgendwas Spannendes zu bieten, oder? Ich stehe auf, lasse Watson allein und gehe auf Nahrungssuche.
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