Der Typ scheint nicht sehr überzeigt zu sein.
„Oh, sorry, ich dachte... naja, nachdem du mit Yara auf der BWL-Party warst…,“ er wirft erst ihr, dann mir einen seltsamen Blick zu, „dass du Single bist.“
Valerie scheint nervös zu sein. „Oh, das… Ähm, nein. Ich bin in einer Beziehung.“ Wieder wirft sie mir einen unsicheren Blick zu. So langsam geht mir der Typ auf die Nerven. Warum ist sie so nervös in seiner Gegenwart?
„Ach wirklich? Eine feste Beziehung?“ Sagt er, wobei er das Wort fest ganz besonders betont und grinst mich seltsam an. Ich fühle mich verarscht. Valerie wird auf ihrem Sitz etwas kleiner.
Seufzend lasse ich meine Hand etwas zu stark auf die Tischplatte fallen.
„Ja, sehr fest. Also dann, könntest du mich und meine FREUNDIN wieder alleinlassen? Wir müssen etwas besprechen.“ Frage ich und sehe den Typen auffordernd an. Valerie wird rot im Gesicht.
„Äh... Ja, klar.“ Sagt der Typ. „Also, wir sehen uns dann auf dem Campus.“ Er winkt und dreht sich zum Gehen. Doch nicht, ohne Valerie mit einem Auge zuzuzwinkern, was sie mit einem müden seufzen quittiert.
Sobald er sich wieder mit dem Rücken zu uns an seinem Tisch niedergelassen hat, lässt Valerie das Gesicht in die Hände fallen.
„Oh. Mein. Gott. Es tut mir so leid.“
„Pfffft“ Lachend werfe ich eine saubere Serviette nach ihr. „Was zur Hölle war das denn für ein Sack?!“
Valerie schüttelt den Kopf und meidet meinen Blick. Etwas bestimmtes scheint ihr ungeheuer peinlich zu sein.
„Ernsthaft, wo hast du dir denn die Klette eingefangen?“ frage ich belustigt.
Valerie bedeckt noch immer ihr Gesicht. Sind zu der roten Farbe weiße Flecken hinzugekommen?
„Was ist auf dieser BWL-Party passiert?“ frage ich lachend. „Der Typ hat sie doch nicht mehr alle!“
„Yara wollte ihn mir vorstellen…“ Erzählt Valerie in einem gequält beschämten Unterton. „Sie war der Meinung er sei klug und witzig.“
Ungläubig werfe ich noch einen Blick auf den Typen in seinem weißen Shirt, den weißen Turnschuhen und der Cap mit einem Symbol der Patriots.
„Klug und witzig?“ wiederhole ich ungläubig. Nun kann ich mir schon eher einen Reim darauf machen, wie diese Geschichte mit ihr und dem seltsamen schlecht Schach spielenden Fuzzi zustande gekommen ist.
„Sie hat wirklich überhaupt keinen Männergeschmack.“ Fasst Valerie meine Gedanken sehr treffend zusammen.
„Was du nicht sagst.“ Ich schüttele schockiert den Kopf und nehme einen weiteren Schluck von meinem Kaffee.
„Alles was dieser Typ kann, ist Bilder von seiner Jaw-Line zu posten.“ Fügt Valerie leise murmelnd hinzu, was mich schon wieder zum Lachen bringt.
„Du solltest ihr Nachhilfe in Sachen Männergeschmack geben.“ Empfehle ich ihr und schwenke meine Tasse. „Ich wette sie könnte einiges von dir lernen!“ Grinsend sehe ich sie an, doch ihr Gesichtsausdruck lässt mein Grinsen schnell wieder verschwinden.
„Ich glaube eher nicht.“ Gibt Valerie zu. „Ich denke, überhaupt kein Männergeschmack zählt nicht unbedingt als Vorbild für jemanden wie Yara.“
Augenblicklich
fällt mir die Kinnlade herunter und die Tasse aus der Hand.
Sie steht auf Frauen?
Für einen kurzen Moment zieht meine komplette Vergangenheit an meinem inneren
Auge vorbei. Mein ganzes Leben habe ich an nur eine einzige Person gedacht und
mir ausgemalt, wie es wäre, mit ihr zusammen zu sein und nicht ein einziges Mal
habe ich die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie nicht auf Männer stehen
könnte… Oh. Gott, wie unglaublich arschig von mir.
„Oh, achso.“ Bringe ich heraus und meine, erst gestern neu entfachte, Zukunftsaussicht zerbricht in tausend Scherben.
Valerie sieht mich auf eine schräge Art an.
„Ich habe das Gefühl, du hast gerade irgendetwas gewaltig missverstanden…“ Sie lehnt sich vor und scheint zu überlegen-
„Nein, alles gut. Ich bin total offen für sowas. Jeder soll tun, was ihn glücklich macht!“ stelle ich klar. „Wer braucht schon Männer in seinem Leben, ich meine- die meisten davon sind Idioten. Und die, die keine sind, sind auf eine andere Art schräg.“ Augenblicklich wünschte ich, ich könnte den verbalen Durchfall bremsen, der aus meinem Mund herauskommt, doch es ist zu spät. „Ich meine- Frauen sind viel besser als Männer! Sie sind netter und… und hübscher und… klüger und weich...“
„Stop.“ Sagt Valerie mit erhobener Hand, bevor ich noch mehr Bullshit von mir geben kann. „Es ist nicht so, wie du denkst.“
„Ach, ist es nicht?“ zugegebenermaßen erleichtert lehne ich mich zurück und reibe mir frustriert mit der Hand über das Gesicht. Sind alle meine Hoffnungen doch nicht zu hundert Prozent unmöglich?
„Ist es nicht.“ Stellt sie schmunzelnd klar.
„Ich meinte damit nur, dass ich nicht wirklich auf einen bestimmten Typ Mann stehe.“
Neugierig sehe ich ihr zu, wie sie an ihrer Teetasse herumfummelt.
„Ich hatte noch nie einen Freund, deshalb weiß ich nichts darüber. Es liegt nicht an einem Männergeschmack oder so, ich habe bisher nur noch nie wirklich gedacht, dass ich mit einem der Typen zusammen sein will, die ich getroffen habe.“
Überrascht lege ich den Kopf schief. Ich hatte eher das Gegenteil erwartet. Doch, wenn ich länger darüber nachdenke, kann ich mir schon vorstellen, dass es ziemlich viele seltsame Typen gibt, die um Valerie herumschwärmen. Die seltsamen Typen kommen immer zuerst. Bei hübschen Frauen wie ihr wundert mich das nicht, dass kein anständiger Kerl dabei war. Wer auch nur das geringste Bisschen Menschenkenntnis hat, würde Fuckboys wie den Typ von eben lieber links liegen lassen. Und Valerie hat Menschenkenntnis!
„Ist doch okay, sich von seltsamen Typen fernzuhalten.“ Ermuntere ich sie. Sie scheint etwas schüchterner geworden zu sein, nachdem der Kerl aufgetaucht ist. „Lass mich nur eine Frage stellen, ich bin superneugierig.“
Valerie lehnt sich vor und nickt langsam.
„Du musst aber nicht, wenn du nicht willst.“ Füge ich hinzu, „Ich habe das Gefühl gehabt, er sieht mich an, als ob er der Typ wäre, mit dem mich meine Freundin betrogen hat. Warum genau habe ich dieses Gefühl? Lief da was zwischen euch?“ Meine Frage sollte locker und ungezwungen klingen, doch stattdessen komme ich mir eher wie eine Helicopter-Mutter vor. Bin ich zu neugierig? Aber dieses Gefühl macht mich echt unruhig und ich wüsste gerne wie sehr ich danebenliege, nur für meinen Seelenfrieden.
Valerie schüttelt den Kopf.- „Zu peinlich.“ Sagt sie kichernd.
Lachend schüttele ich den Kopf. „Nagut. Dein Boyfriend verzeiht dir. Wollen wir langsam wieder los?“
Valerie kneift wieder die Augen zusammen. Ist es ihr peinlich, dass sie mich als ihren Freund bezeichnet hat?
„Es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht da mit reinziehen, ich werde das Missverständnis aufklären.“
Nervös erhebt sie sich von ihrem Stuhl, doch ich greife schnell nach ihrer Hand. „Nein.“
„Aber…“ sie sieht mich unsicher an. „Jetzt wird er bestimmt überall herumerzählen, dass wir zusammen sind.“
Ich zucke mit den Schultern. „Was interessieren mich die Gerüchte am Gucci Campus?“
„Aber… was, wenn…“
„Pass auf.“ Unterbreche ich sie. „Wenn er es herumerzählen will, kann er von mir aus machen, was er will. „Mich interessiert nur, wie es DIR geht. Wenn du dir den Typ vom Hals halten willst, gebe ich gerne vor, dein Freund zu sein.“
Sie schenkt mir einen so dankbaren Blick, dass ich mir fast wie ein Held vorkomme, gleich gefolgt von einem miesen, zähen, erbärmlichen Gefühl, das mich daran erinnert, dass ich nur VORGEBE, ihr Freund zu sein…
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