Es war ein schrecklicher Tag. Zuerst hatte der Wecker nicht geklingelt und sie hatte verschlafen. Im strömenden Regen war sie zum Bus gelaufen, der ihr genau vor der Nase weggefahren war, wodurch sie zu spät zur Arbeit gekommen war. Ihr Chef war nicht erfreut gewesen, hatte aber nichts weiter gesagt.
Doch dann war da der Zwischenfall mit der Präsentation gewesen. Genaugenommen konnte sie nichts dafür, dass ihre Kollegen ihre Arbeit nicht gemacht hatten, doch das hatte ihren Chef nicht gekümmert.
„Erst zu spät kommen, und dann noch Mist bauen!“, hatte er sie angeschrien, minutenlang musste sie sich allerhand schlimme Worte von ihm anhören.
Völlig aufgelöst hatte sie sich an ihrem Arbeitsplatz verkrochen und den Feierabend herbeigesehnt. Als dieser dann kam, hatte sie schnell ihre Sachen zusammengepackt und hatte sich auf den Nachhauseweg gemacht, allerdings nicht ohne nochmal dem Chef zu begegnen, der sie mit scharfen Worten verabschiedete.
Es hatte mittlerweile aufgehört zu regnen, aber erneut fuhr der Bus genau vor ihr weg. Traurig machte sie sich zu Fuß auf den Weg nach Hause, vielleicht würde sie der Fußmarsch auf andere Gedanken bringen.
Sie war normalerweise kein trauriger Mensch, aber in letzter Zeit waren viele kleine, negative Dinge passiert, die ihre Stimmung sehr getrübt hatten, und der heute Tag war der bisherige Tiefpunkt gewesen.
Niedergeschlagen ging sie die Straße entlang, ohne wirklich auf den Weg zu achten, als sie plötzlich mit beiden Füßen in eine große, ziemlich tiefe Pfütze stapfte. Eine Mischung aus Wut und Traurigkeit stieg in ihr auf, doch plötzlich kam da noch etwas anderes.
Eine Erinnerung.
Eine Erinnerung daran, als sie noch ein kleines Kind war. Daran wie sie als kleines Mädchen im Regen gespielt hatte. Wie sie von Pfütze zu Pfütze gesprungen war. Wie sie sich vorgestellt hatte, von einem Ozean zum anderen zu springen, sie, die große Entdeckerin.
Diese Erinnerung wurde immer stärker, und begann die Traurigkeit und die Wut zu verdrängen. Einem plötzlichen Impuls folgend begann sie, in der Pfütze auf und ab zu hüpfen. Das Wasser spritze bei jeder Landung in alle Richtungen davon, und sie hüpfte immer weiter und weiter, machte einen Satz zur nächsten Pfütze, und sprang auch da wieder auf und ab.
Ein Glücksgefühl begann sich in ihr auszubreiten, für einen Moment war sie wieder das sorglose Mädchen von damals, das die Ozeane erforschte und eroberte.
Eine ganze Zeit, sie konnte nicht sagen wie lange, sprang sie von Pfütze zu Pfütze, glücklich lachend, mit Tränen der Freude in den Augen. Ihre Schuhe und Hosenbeine waren durchnässt, aber es machte ihr nichts aus. Einen schönen Moment lang hatte sie ihre Sorgen vergessen und sich an sorglose Zeiten erinnert.
Diese Erinnerungen machten diesen schlechten Tag nicht ungeschehen, aber sie machten ihn erträglich. Sie hatte Glück in kleinen Dingen gefunden, in einer schönen Erinnerung, und dies gab ihr die Kraft, auch die schlechten Momente zu überstehen.
Und so legte sie mit leichteren Herzen den restlichen Heimweg zurück, ohne auch nur eine Pfütze auszulassen.
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