Der Herzog erhob sich von seinem Platz und verließ den Speisesaal, gefolgt von seinen Rittern. Isabella und Wolfram blieben bei uns. Wolfram trat einen Schritt auf mich zu und legte seine Hand auf meine Schulter. "Herr Haruki, ich bin beeindruckt von dem, was du bisher gezeigt hast. Aber sei vorsichtig. Die Macht eines Heiligen Segens kann auch Neid und Gier wecken. Du musst wachsam sein und dich vor jenen schützen, die es auf deine Fähigkeiten abgesehen haben könnten." Seine Worte erinnerten mich daran, dass nicht jeder im Anwesen meine Gabe begrüßen oder akzeptieren würde. Es war wichtig, meine Kräfte mit Bedacht einzusetzen und die wahren Absichten der Menschen um mich herum zu erkennen.
Wolfram begleitet uns zur weitläufigen Terrasse, während Isabella sich in Richtung der Küche begab, um uns ein neues Mittagessen zuzubereiten. Der verschneite Garten erstreckte sich vor uns, mit nur wenigen Büschen und Bäumen, die eine gewisse Vernachlässigung vermuten ließen. Doch der Anblick der Sonne, die ihr warmes Licht auf den glitzernden Schnee der ruhigen Landschaft warf, war von bezaubernder Schönheit, und die Luft fühlte sich erfrischend und rein an.
Auf der Terrasse ruhten ein paar leere Blumentöpfe, während in der Mitte ein kleiner, runder Metalltisch stand, der von zwei mit Schnee bedeckten Metallstühlen umgeben war. Es schien, als hätte dieser Ort selten Besucher empfangen. Wolfram ging entschlossen auf den Tisch zu und ließ seine Magie wirken, während Flammen sowohl den Tisch als auch die Stühle erfassten. Innerhalb von Sekunden war der Schnee vollständig verdampft. "Ihr könnt nun Platz nehmen", lud er uns ein und rückte die Stühle mit einer geschickten Geste zurecht. Es war das erste Mal, dass ich jemanden Magie wirken sah, und mein überraschter Blick blieb nicht unbemerkt. Wolfram fügte hinzu: "Ich beherrsche ein wenig Feuermagie, doch sie ist in keiner Weise mit eurer oder der Magie des Herzogs zu vergleichen."
Als ich mich auf den Stuhl niederließ, spürte ich noch immer die angenehme Wärme, die von ihm ausging. "Auch ich kann ein wenig Magie nutzen", verkündete Ryota etwas neidisch. "Es ist wirklich beeindruckend, dass du in deinem Alter bereits die Kunst der Magie beherrschst", lobte ich ihn aufrichtig. Bevor ich jedoch weitere Fragen über die spezifischen Magiearten stellen konnte, traten Sophie und Isabella mit dem ersehnten Essen auf die Terrasse.
Es wurde eine bescheidene Mahlzeit aus Gulasch und Brot serviert, begleitet von schlichtem Wasser. Für Adlige mag es eher einfach gewesen sein, aber dennoch war die Mahlzeit liebevoll zubereitet. Ich nahm mir vor, mich etwas zurückzuhalten. Ich sollte mehr auf meine Manieren achten und nicht so hastig essen, besonders nicht in Anwesenheit von Ryota oder anderen Adligen. Mit dem Löffel nahm ich vorsichtig etwas Gulasch auf und konnte mir ein begeistertes "Mhm, lecker!" nicht verkneifen. Ryota sah mich an und lächelte, bevor er ebenfalls einen Löffel probierte.
Kaum hatte ich bemerkt, war mein Teller schon wieder leer. Während Isabella und Sophie damit beschäftigt waren, alles abzuräumen, schlug Wolfram vor, dass wir unseren Rundgang durch den Garten fortsetzen sollten und zum Abschluss Tee mit Keksen im Gewächshaus genießen könnten. Offensichtlich wollten sie verhindern, dass wir Zeugen der Vorkommnisse im Anwesen wurden. So begaben wir uns nach draußen und schlenderten durch den winterlichen Garten. So viel Schnee hatte ich zuletzt in meiner Kindheit in meinem früheren Leben gesehen. In Ryotas Alter hatte ich es geliebt, im Schnee zu spielen.
"Ach, wollen wir einen Schneemann bauen?" fragte ich aufgeregt. Ryota schaute fragend zu Wolfram, der leicht mit den Schultern zuckte, bevor Ryota seinen Blick wieder auf mich richtete. "Ein Mann aus Schnee?", sie schienen nicht vertraut mit dem Konzept eines Schneemanns zu sein. "Ich zeige dir, wie es geht!" antwortete ich voller Vorfreude. Wir begannen, Schneekugeln zu formen und sie übereinander zu stapeln. Während wir damit beschäftigt waren, trat ein Diener an Wolfram heran und flüsterte ihm etwas zu, das ich nicht hören konnte. Wolfram erklärte uns, dass er für einen Moment weggehen müsse, aber bald zurückkehren werde. Wir nickten nur, und ich setzte mein Werk am Schneemann fort.
"Das ist also ein Schneemann", sagte Ryota erfreut, aber auch etwas zweifelnd. "Noch nicht ganz. Es fehlen noch Zweige für die Arme und Steine für die Augen und den Mund", erklärte ich ihm und zeigte auf die entsprechenden Stellen.
Wir teilten uns auf, um die Dinge zu sammeln. Ich machte mich auf den Weg zu einigen Büschen und Bäumen, um nach geeigneten Stöcken zu suchen. Das sanfte Rascheln der Blätter und das Knistern des Schnees unter meinen Schritten begleiteten mich. Plötzlich vernahm ich ein bedrohliches Geräusch, das aus den Büschen zu kommen schien. Als ich mich vorsichtig näherte, verstärkte sich das Geräusch zu einem tiefen Knurren. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich die Gewissheit hatte, dass etwas Gefährliches auf mich zukam.
Und dann, wie aus dem Nichts, sprang es hervor – ein schreckliches Monster. Es hatte das Aussehen eines Wolfs, aber seine Augen glühten in einem unheimlichen Schein, und seine Zähne glichen denen eines Hais. Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich seine Gestalt erfasste. Ich wusste, dass ich nicht fliehen konnte. Panik stieg in mir auf, doch ich musste einen klaren Kopf bewahren. Ryota befand sich direkt hinter mir, und ich musste ihn beschützen. "Ryota bleib zurück", rief ich mit zitternder Stimme, während ich mich schützend vor ihn und das Monster stellte. Ich wusste nicht, wie ich es schaffen sollte, dieses Monster abzulenken und Zeit zu gewinnen, aber ich würde mein Bestes geben.
Das Monster war unglaublich schnell. In einem Wimpernschlag sah ich seine mächtigen Kiefer auf mich zu schnellen. Doch plötzlich spürte ich eine warme Flüssigkeit auf meinem Gesicht. Blut hatte sich über meine Robe ausgebreitet. Hatte mich das Monster bereits gebissen? Verwirrt suchte ich nach Schmerzen, doch erstaunlicherweise verspürte ich keine. Ich konnte es kaum fassen. Was war geschehen? Ich drehte mich um, um nach Ryota zu sehen, und auch er war mit Blut bedeckt. Sein Gesicht war gezeichnet von Angst und Verwirrung. Mein Herz schmerzte bei dem Anblick. Ohne zu zögern, ging ich auf die Knie und nahm Ryota in meine Arme. "Bist du verletzt?", fragte ich besorgt. Ich setzte meine Heilmagie ein, um uns beide zu behandeln und das Blut zu reinigen.
Erst jetzt fiel mir das leblose Monster auf, das einige Meter hinter Ryota lag. Es war besiegt aber wie? Sophie und Isabella standen in der Ferne, ihre Gesichter zeigten Entsetzen und sie riefen nach den Rittern. Ich versuchte, die Ereignisse zu begreifen, doch alles war so schnell geschehen. Ryota klammerte sich an meinen Arm, seine Augen wirkten leer, während er vor sich hinmurmelte: "Ich bin kein Monster." Ich drückte ihn fest an mich und lächelte ihm zu, "Alles ist in Ordnung, Ryota. Du hast uns beschützt", sagte ich sanft. Überraschung und Erleichterung spiegelten sich nun in seinem Gesicht wider. Ich wusste nicht genau, wie es geschehen war, doch ich war sicher, dass Ryota das Monster auf mysteriöse Weise besiegt hatte.
Ich trug Ryota den gesamten Weg zurück ins Anwesen, seine Worte des Widerstands ignorierte ich lächelnd. "Bin ich nicht zu schwer?", fragte er verlegen. "Selbst wenn ich nicht besonders stark bin, kann ich problemlos ein Federgewicht wie dich tragen", antwortete ich stolz. Es war wahr, meine körperliche Verfassung war nicht die beste, aber ich war entschlossen, Ryota zu unterstützen. Erst als wir im Inneren des Anwesens ankamen, setzte ich ihn behutsam ab. Draußen kümmerten sich die Ritter um den Kadaver des Monsters, während Isabella und Sophie uns schweigend folgten. Wolfram kam uns entgegen und seine aufgewühlte Miene verriet seine Besorgnis. "Geht es euch gut?", fragte er. "Uns geht es gut", antwortete ich, meinen Blick fest auf Ryota gerichtet. Er schien immer noch etwas angespannt zu sein. "Es tut mir unfassbar leid. Ich hätte euch nicht allein lassen sollen. Das ist einzig und allein mein Fehler", entschuldigte sich Wolfram. Die Stimmung im Anwesen war nun noch angespannter als zuvor. Nach dem Giftanschlag und dem Angriff des Monsters lastete eine schwere Atmosphäre auf uns.
Ryota führte mich durch die weitläufigen Flure des Anwesens. Ich konnte die Anspannung in der Luft spüren und die Gesichter der Bediensteten und Ritter waren von Besorgnis gezeichnet. Dennoch bemühte ich mich, Ryota zu beruhigen und ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Ich griff nach Ryotas Hand und fragte ihn: "Könntest du mir noch etwas zeigen? Gibt es hier vielleicht eine Bibliothek?" Er sah mich überrascht an, doch dann antwortete er: "Ja, wir haben eine Bibliothek. Es gibt eine große in der 2. Etage und mein Bruder... der Herzog hat eine private Bibliothek in seinem Arbeitszimmer, aber ich darf sie dir ohne seine Erlaubnis nicht zeigen." Mit neugierigen Augen und voller Vorfreude gingen wir den Weg zur Bibliothek entlang.
Schließlich erreichten wir die Bibliothek. Als die schwere Tür aufschwang, enthüllte sich vor uns ein Raum voller Geschichten und Wissen. Das sanfte Licht, das durch die hohen Fenster hereinströmte, ließ den Staub in der Luft schimmern und verlieh der Bibliothek eine geheimnisvolle Aura. Die Regale erstreckten sich bis zur Decke und waren prall gefüllt mit Büchern unterschiedlichster Größe und Alter. Man konnte förmlich den Duft von vergangenem Wissen und Abenteuern in der Luft spüren.
Ryota führte mich zu einem der Tische, die mit alten, ledergebundenen Büchern bedeckt waren. Ich nahm vorsichtig eines der Bücher in die Hand und blies den Staub von den Seiten. Die Worte, die auf ihnen geschrieben standen, schienen eine verborgene Welt voller Geschichten, Mysterien und Wissen zu offenbaren. Es war ein Gefühl der Ehrfurcht, das mich erfüllte, während ich die Seiten umblätterte und mich von den Zeilen verzaubern ließ.
„Verzeiht, Herr Hikaru! Vielleicht lasst ihr uns den Raum erst einmal reinigen, und ihr könnt ein anderes Mal wiederkommen“, entschuldigte sich Wolfram verlegen. Sein Gesicht errötete leicht, und seine hängenden Ohren verliehen ihm einen bezaubernden Anblick. Auch ich konnte nicht anders, als leicht zu erröten, und wandte meinen Blick von ihm ab. Ich legte das Buch zurück und schloss die Augen. Ein helles Leuchten erfüllte den Raum, und als ich meine Augen wieder öffnete, war alles wie neu. Kein Staub war mehr zu sehen, die alten Regale, Tische und Bücher erstrahlten in neuem Glanz. Die Luft roch frisch und nicht mehr modrig und alt. Der Raum schien förmlich zu glänzen. Die anderen starrten mich erstaunt an.
"Jetzt braucht ihr euch keine Sorgen mehr zu machen", sagte ich zu Wolfram mit einem Lächeln. Dann wandte ich mich an Ryota und fragte: "Kannst du schon lesen?" Ryota wirkte etwas verärgert und antwortete: "Natürlich kann ich lesen! Ich kann sogar schon schwierige Bücher lesen!" Er schnappte sich ein dickes Buch und begann darin zu lesen. Bei diesem Anblick konnte ich mir ein Kichern nicht verkneifen. Schließlich wandte auch ich mich wieder den Büchern zu.
"Gibt es hier auch Bücher über Alchemie?", fragte ich Wolfram. Er schien einen Moment nachzudenken und ging dann zu einem Regal, aus dem er ein altes Buch über Alchemie hervorholte und es mir übergab. Er entschuldigte sich erneut: "Ich fürchte, das ist das einzige Buch über Alchemie in dieser Bibliothek." Dankend nahm ich das Buch entgegen und setzte mich gegenüber von Ryota hin. Ich begann zu lesen, in der Hoffnung, dass ich hier vielleicht etwas mehr über Alchemie erfahren könnte, doch meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Frustriert schloss ich das Buch und schaute mich in den Regalen um.
Plötzlich fielen mir die Naturgeister auf, die meine Aufmerksamkeit auf ein Buch lenkten. Neugierig ging ich hin und nahm es heraus. Es war ein Buch über Zaubertränke. Bevor ich jedoch einen Blick hineinwerfen konnte, brachten Isabella und Sophie uns Tee und Kekse, die sie behutsam auf den Tisch stellten. Der Duft von frischem Tee vermischte sich mit dem Geruch der alten Bücher, und ich konnte mich nicht dagegen wehren, einen tiefen Atemzug zu nehmen und das Aroma aufzunehmen.
Ryota schien fasziniert von den Büchern, aber auch ein wenig unsicher. "Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal hier war", sagte er leise. "Die Bibliothek war immer der Ort, an dem ich Ruhe und Trost fand. Ich konnte in den Geschichten versinken und für einen Moment dem Alltag entfliehen."
Ich lächelte ihm aufmunternd zu. "Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Bücher haben eine besondere Magie. Sie eröffnen uns neue Welten, entführen uns an faszinierende Orte und lassen uns neue Freunde finden."
Ryota nickte nachdenklich. "Ja, das stimmt“.
Und so blieben wir in der Bibliothek, eingetaucht in eine Welt aus Büchern und Träumen, während draußen die Sonne langsam unterging und der Duft von Tee und Abenteuer unsere Sinne erfüllte.

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