Meine Schritte knarzten leise unter meinen löchrigen Stiefeln.
Ich versuchte zu lächeln, als ich bemerkte, wie die ersten Blicke auf mich fielen.
Ein dünner Mann mit blondem Zopf beäugte mich kritisch und eine große Frau, die sich zuvor mit dem Mann unterhalten hatte lächelte freundlich zurück.
Langsam bewegte ich mich weiter über das Deck und musterte alle genau, in der Hoffnung, Captain Antonio erkennen zu können.
Alle Gespräche verstummten und aus dem schummrigen Licht der Laternen wandten sich mir Gesichter zu.
Ein Junge mit blonden Locken, ein großer, bulliger Kerl, eine brünette Frau mit weit ausgeschnittenem rotem Kleid und ein finster blickender Mann mit schwarzen Haaren.
Ich spührte einen Stich im Herzen, als seine dunklen, kalten Augen mich trafen und wusste nicht ganz, ob ich ihn gefährlich oder schön finden sollte.
Alle schienen so verschieden und doch hatte sie ihr Leben unter den roten Segeln der Araçari zusammengebracht.
"Du bist reichlich spät, um anzuheuern"
Hastig blickte ich mich um, doch ich konnte die raue Stimme nicht orten.
Stattdessen verbeugte ich mich tief und sagte mit fester Stimme:
"Dennoch hoffe ich Euer Gehör zu finden!"
Irgendwo vernahm ich das Knarzen des Holzbodens, als der Sprecher sich auf mich zu bewegte. Darum verharrte ich in meiner demütigen Verbeugung.
Das Herz klopfte mir bis zum Hals, als ich lederne Stiefel und die Spitze eines Degens auf dem Boden vor mir erblickte.
"Richte dich auf, Mann", befahl die Stimme ruhig.
Meiner Meinung nach stand er dafür etwas zu nah, doch ich gehorchte.
Langsam tauchte ich wieder auf und vor meinem Gesicht fanden sich eine abgewetzte Cordhose mit silbernem Gürtel, dann ein zerschlissenes Hemd und ein eleganter roter Mantel und dann das schmale, kantige Gesicht des gefährlichsten Captains im ganzen Atlantik mit einem ausladenden Federhut.
Er war nur wenige Finger breit kleiner als ich, was immernoch eine beachtliche Größe ist.
Ich fürchtete zu sehr zu starren und wendete daher meinen Blick seinem Hemd zu, das licht genug war um eine muskulöse, behaarte Brust zu offenbaren.
Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie der Captain mich ganz genau musterte und ich wagte einen Blick nach oben, wo er stechend dunkelgrüne Augen traf.
"Wieso bist du nicht bei Sonnenhoch mit allen anderen an Deck gekommen, um anzuheuern?"
Ich schluckte. Hatte Antonio mich zwischen den Kisten am Steg bemerkt?
Ich versuchte dem Blick nicht auszuweichen und antwortete: "Ich bitte um Entschuldigung Euer Ehren! Seit Tagen bewege ich mich nur nach Anbruch der Dämmerung, denn ich bin mit dem Brandmark des englischen Königshauses gezeichnet und möchte nicht in Ungnade fallen."
Bei den Worten "englisches Königshaus" ging ein Raunen durch die Crew und der schöne schwarzhaarige Mann schien sogar zu knurren.
Der Captain verzog seine dünnen Lippen für einen Augenblick und fragte dann kalt:
"Was mag dein Anliegen von uns sein, wenn du Eigentum des englischen Adels bist?"
Ich straffte die Schultern und erwiderte: "Euer Ehren, mein Name ist Phillip und ich bin auf der Flucht vor dem englischen Königshaus. Ich suche Obdacht bei dem einzigen Mann, dem die königliche Marine nichts anhaben kann. Meine Kunstfertigkeit ist das Knacken von Schlössern, vielleicht kann ich euch damit nützlich werden?"
Mein Gegenüber hob die Augenbrauen und für einen Moment dachte ich, er würde meine Lüge nicht glauben. Antonio begann langsam um mich herum zu laufen.
Wie auf ein geheimes Zeichen hin bildete die Crew einen geschlossenen Kreis um mich.
Würden sie mich jetzt demütigen? Verprügeln? Töten?
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