An Deck erwartete mich die Crew vor dem Besanmast. Antonio war mit Smilla auf die Seite getreten und die Beiden unterhielten sich flüsternd.
Treuste Begleiterin, hatte sie sich genannt? Was auch immer das heißen mochte, sie schienen sich jedenfalls sehr nahe zu stehen. Vielleicht war sie ja zweite Captain, weil sie ihr Kleid so offen trug. Oder sie hatte mit ihrer Diebeskunst das Herz des gefährlichen Antonio gestohlen. Waren die Beiden etwa ein Paar und er bevorzugte sie deshalb, entgegen seiner Predigt über Gerechtigkeit?
Wo kamen diese bitteren Gedanken her? Ich schüttelte sie energisch fort.
Wenn mein gefährlicher Plan gelingen sollte musste ich mich mit ihr gut stellen, ihr Vertrauen gewinnen. Und das würde nur funktionieren, wenn ich aufhörte Schlechtes über sie zu denken.
Ich versuchte den Blickkontakt der anderen Mitglieder zu erhaschen und bekam das eine oder andere aufmunternde Nicken.
Das ließ die Hoffnung in mir wachsen. Ungeduldig wartete ich auf die Verkündung der Entscheidung.
Schließlich rief Antonio: "Smilla trägt das Ergebnis vor!"
Smilla tänzelte auf ihren hochgeschnürten Stiefeln in die Mitte und breitete elegant die Arme aus.
"Unter den Mitgliedern waren zwei ohne Meinung, zwei für Ablehnung und acht für Zustimmung. Damit bist du, Phillip, von der Crew angenommen. Über deine Position auf der Araçari entscheidet Antonio."
Mir wurde ganz schwindlich, als ich endlich realisierte, dass ich meinen ersten Erfolg in meiner waghalsigen Mission erzielt hatte. Dieser Umstand würde mein Leben so stark erleichtern, wie es keine Person auf diesem Schiff vermutete.
Einige jubelten, klopften mir auf die Schulter oder winkten mir lachend zu.
Bis auf den grimmigen Sandro natürlich. Ich war mir sicher, dass er mich abgelehnt hatte, weil er Engländer hasste. Ein Jammer, dass er so gut aussah… Am liebsten würde ich ihn kitzeln und sehen, ob ich nicht doch ein Lächeln von ihm erhaschen könnte.
Antonio trat näher, um die ausgelassene Gruppe zu übertönen.
"Die Crew hat sich führ dich ausgesprochen, also werde ich einen Platz für dich finden. Ab morgen werden wir prüfen, was du als Seemann taugst. Du wirst dich am klarschiff machen beteiligen bevor wir am Tag darauf in See stechen. Du lässt dir von Mika die Arbeit an der Fock beibringen. Mika, du wirst ihn Knoten üben lassen!"
Verlegen zog der blonde Junge an einer Locke und warf ein: "Aber ich muss doch selbst noch viel lernen…"
Antonio blickte ihn streng an und widersprach: "Deine Lernerfolge werden sogar steigen, wenn du versuchst dein Können anderen weiter zu vermitteln."
Er wandte sich wieder mir zu.
"Des Weiteren wirst du mir dein Geschick als Schlossknacker unter Beweis stellen.
Und ich möchte dich gegen Christoph kämpfen sehen."
Verstohlen linste ich zu dem muskulösen Mann hinüber und ein Schauer lief mir über den Rücken, als der mich breit angrinste. Seine blauen Augen schienen geradeso vor Lebenslust zu sprühen.
"Morgen bei Sonnenhoch an Deck!", verkündete er mit einem Zwinkern und ich nickte wie im Traum. Warum versuchte ich meine Arme anzuspannen und meine straffe Brust rauszudrücken sobald dieser Mann in meine Richtung schaute?
Plötzlich stand Antonio direkt an meiner Seite und raunte mir ins Ohr: "Lass dir nicht den Kopf verdrehen." Sein warmer Atem kitzelte mich. "Ich habe letztes Jahr schon ein Crewmitglied wegen gebrochenem Herzen verloren."
Mir stieg die Röte ins Gesicht und ich wendete mich schnell ab. Es war kein gutes Zeichen, dass der Captain mich lesen konnte, wie ein Buch.
Comments (0)
See all