Nun sorgte Antonio für Stille und verteilte Anweisungen für die Nacht und den folgenden Tag.
"Sandro und Janko Nachtwache! Babette, richte mit Phillip seinen Schlafplatz her! Morgen Simon, Smilla und Bert Proviant anschaffen! John, Joseph und Marit Munition anschaffen!"
Smilla drängte mich zur Seite, um den Captain vor versammelter Gesellschaft zu fragen: "Bin ich für die Nacht entlassen? Ich habe ein kleines Rondevouz an Land. Und wenn ich morgen früh wieder komme, wird die Tasche des edlen Herrn um ein paar Goldstücke erleichtert sein!" Sie lachte laut und manche lachten mit ihr, andere verdrehten nur lächelnd die Augen.
"Solange du morgen pünktlich zu Sonnenaufgang mit Simon auf dem Markt stehst kannst du tun und lassen was dir beliebt. Nur... hetze uns bitte nicht wieder die örtlichen Gendarme auf den Hals!", brummte Antonio.
Das Verhältnis zwischen den Beiden verwirrte mich einmal mehr.
Ich spürte Babettes sanfte Hand an meinem Ellenbogen, als sie neben mich trat, um mich unter Deck zu führen. Eine steile, knarzende Treppe führte hinunter in einen dunklen Raum, indem Hängematten von der Decke baumelten und Habseligkeiten in Kisten aufgetürmt waren. Waffen und Kleidung waren in Ständern verstaut und festgegurtet um bei Seegang nicht hin und her zu schwanken.
"Es ist sicher eine Hängematte für dich da, denn letztes Jahr waren wir noch eine Person mehr", erzählte sie und öffnete einige Truhen mit Stoff.
Sie sprach sicher von dem Fall des gebrochenen Herzens. Ob Christoph daran Schuld hatte?
Doch viel dringender schien mir eine Frage, die mich schon seit Beginn meiner Suche gequält hatte: "Wie häufig kommt es vor, dass ein Crewmitglied an Bord stirbt?"
Babette lächelte mich milde an, während sie die gesuchte Hängematte aus einer Truhe nahm.
"Antonio führt uns niemals in Lebensgefahr, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. In seiner gesamten Laufbahn als Captain sind nur sehr wenige Mitglieder der Besatzung gestorben, ich denke es waren nicht mehr als drei oder vier."
Ich folgte Babette zu einem leeren Platz unter Deck, an dem wir die Hängematte zwischen zwei Balken befestigten.
"Von wievielen Jahren sprechen wir denn?", hakte ich nach.
"Vor zehn Jahren hat er die ersten Leute auf seinem eigenen Schiff angeheuert", erläuterte Babette. Ich war erstaunt, denn vor zehn Jahren musste der Captain etwa 25 Jahre alt gewesen sein, vielleicht noch jünger. Wer übernahm in solch jungen Jahren schon die Verantwortung für eine Meute Kämpfender auf freier See?
Babette überreichte mir eine Laterne, etwas Geschirr, einen Löscheimer und ein Säckchen Scharbockskraut.
"Das sind deine ersten persönlichen Gegenstände. Weitere kannst du dir als Anteil aus zukünftiger Beute aussuchen oder gegen deinem Anteil an Land eintauschen. Bewahre deine Dinge hier in dieser Kiste auf. Wenn dir etwas fehlt sag mir Bescheid. Ich kann dir beispielsweise neue Hemden nähen, da du mit nichts außer der Kleidung am Leib angekommen bist."
Gehorsam legte ich meine wenigen Dinge in die Kiste und stellte sie neben meiner Hängematte an die Wand. Dabei beäugte ich die Häufen bei den Hängematten neben mir, unter denen sich Kisten gefüllt mit Goldstücken befanden.
Babette holte mich aus meinen Gedanken. "Du bist doch sicher hungrig. Geh gleich hoch zu Simon und lass dir Reste vom Abendbrot reichen."
Bevor wir uns wieder an Deck begaben, damit Babette mir die Küche zeigen konnte, stellte ich noch eine letzte Frage: "Wie lange bist du schon als Segelmacherin an Bord der Araçari? War diese Position ausgeschrieben oder hattest du selbst die Idee mit deinem Talent anzuheuern?"
Babette zögerte etwas mit der Antwort und strich sich wehmütig durch die Haare.
Dann antwortete sie: "Ich möchte nicht kämpfen. Deshalb kümmere ich mich als... gelernte Schneiderin um die Segel."
Sie lächelte verlegen und da wusste ich, dass auch Babette von Antonio gerettet und an Bord gebracht worden war. Was war nur geschehen?
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