Triggerwarnung!!
Transfeindliches Verhalten.
Zusammenfassung am Anfang des nächsten Kapitels.
Zwei Jahre zuvor...
Als Captain einer zehnköpfigen Crew lastet eine Verantwortung auf meinem Haupt, die sich keine Person vorstellen kann, es sei denn, sie ist Elternteil von zehn Kindern.
Angefangen mit Mika, dem ich wie ein Vater bin, bis zum heutigen Tag, an dem ich Marit bei ihrem Familienhaus am anderen Ende der Stadt abhole für ihren ersten Tag auf See.
Ich möchte ihr einige persönliche Gegenstände an den Hafen tragen, da ich weiß dass ihr Mann auf die Kleinkinder und den Säugling aufpassen möchte, und ihr nicht helfen kann.
Ich verlasse nicht häufig mein geliebtes Schiff, um solch einen langen Spaziergang durch eine Stadt zu machen. Das Land reizt mich nicht so sehr wie die See, und die Bevölkerung mit ihren vielen Problemen macht mich krank. Ich sehe so viel Elend in den Gassen, so viel Ungerechtigkeit und Gendarme, die ihrer Arbeit nicht nachgehen oder ihre Position ausnutzen.
Ich möchte helfen, doch ich kann nicht. Meine Mission liegt hinter dem Horizont an der Wurzel vielen Übels und ich brauche meine Kräfte, meinen scharfen Geist und all mein Wissen um Strategie und Verhandlungen, um meinen persönlichen Kampf zu Ende zu führen.
Es ist meine Verantwortung, meine Ressourcen nicht schon an Land zu verspielen und die Crew sicher durch alle Gefahren und Bedrohungen auf hoher See zu führen.
Dennoch passiert es immer wieder, dass ich Zeuge einer so fürchterlichen Situation werde, dass ich einfach nicht anders kann als einzugreifen. Und manches Mal nehme ich dann eine verlorene Seele mit an Bord meines Schiffes und meine Crew wird um ein Mitglied reicher.
Ich bin mir nicht sicher, wie ich das Talent empfangen habe, immer zur rechten Zeit am rechten Ort zu erscheinen. Oder es mag so viel Übel in einer Stadt geschehen, dass es gleich ist, welche Straßen ich wähle.
Am heutigen Tag führt mich eine Straße mit buckligem Kopfsteinpflaster zwischen alten Holzbauten durch, eine Handwerksiedlung, in der von jedem Haus das Symbol eines anderen Berufsstandes prangt.
Vor den Läden sehe ich verschiedene Auslagen und Menschen mit geflochtenen Körben unter dem Arm, die das eine oder andere Stück prüfend mustern.
Schon als eine Schneidermeisterei in Sichtweite kommt, ertönen aggressive Rufe und das bitterliche Weinen einer Männerstimme.
Da platzt auch schon die Tür auf und ich sehe die weinende Person in Frauenkleidung auf die Türschwelle stürzen. Ein alter Mann, der Kleidung nach ein Schneidermeister, hat sie gestoßen und zwei wütende Frauen stürmen schreiend hinterher.
Manche fangen an zu glotzen, andere ignorieren das Geschehen stur. Ich aber beginne zu rennen.
"Du bist ein Mann, was fällt dir ein, dieses Damenkleid zu tragen?", schreit die erste und reißt so heftig am Kragen des Kleides, dass die Person am Boden würgen muss.
"Dreckige Transe!", schreit die Zweite und zerfetzt den Rock des Kleides.
Der Mann packt die Person schmerzhaft an den langen Haaren und brüllt ihr ins Gesicht: "Bis du nicht zugibst, dass du keine Frau sein kannst, verbanne ich dich aus meinem Laden! Zieh sofort dein Gesellenstück aus oder ich schneid dir deine hässliche Frisur ab!"
Als er eine große Schere aus der Arbeitsschürze zieht und damit wild vor dem entsetzten Gesicht der Person herum fuchtelt, bin ich bereits zur Stelle.
Mit einer Bratpfanne von einem der Schautische schlage ich dem Mann die Schere aus der Hand. Der wirft seine Gesellin hart auf das Pflaster und will mit den Fäusten auf mich losgehen, während die kreischenden Frauen mit Krallen und Zähnen auf ihre Kollegin einhacken.
Ich weiche dem ersten Fausthieb aus, greife mir den zweiten Arm und werfe den brutalen Kerl über meinen Rücken in die nächste Auslage. Dann stelle ich der ersten Frau ein Bein und verdrehe der Zweiten den Arm auf den Rücken, sodass sie beide von ihrem Opfer ablassen. Bevor sich der Alte aus dem Gewühl der zu Bruch gegangenen Schaustücke befreien kann, stämme ich die Gesellin auf ihre zitternden Beine und ziehe sie durch den entstandenen Menschenauflauf mit mir. Wir rennen gemeinsam ein paar Gassen weiter, bis ich mir sicher bin, dass die Verrückten uns nicht verfolgen.
Wahrscheinlich streiten sie sich gerade mit den benachbarten Händlern darum, wer für den Schaden aufkommen muss.
Meine neue Begleitung bricht vor mir auf dem Boden zusammen und weint wie ein Wasserfall.
Ich knie neben sie hin und streiche behutsam über ihren Kopf.
"Wie heißt du?", frage ich leise.
Sie schüttelt sich und schluchzt: "Ich möchte meinen Namen nie wieder sagen. Ich möchte nicht mehr als Mann angesprochen werden, das ertrage ich nicht mehr!"
Beruhigend halte ich ihre Hand und frage nach Verletzungen.
Sie betastet ihren Hals, dann die Beine und den Brustkorb. Überall zeichnen sich Striemen ab, das Knie ist vom Sturz aufgerissen und eine Rippe scheint geprellt zu sein.
"Ich kann nie wieder zur Arbeit! Meine Gesellenprüfung darf ich auch nicht mehr abschließen. Und in jeder Schneiderei der Gemarkung wird der Meister mich verschreien, sodass keiner mich anstellen will! Wo soll ich hin? Wo werde ich nicht aus dem Laden geprügelt?" Verzweifelt hebt sie ihre geschwollenen Augen zu meinem Gesicht auf und erschrickt fürchterlich.
"Der gefährliche Captain Antonio!", stößt sie hervor und versucht von mir abzurücken.
Ich hebe belustigt eine Augenbraue und sie scheint zu realisieren, dass sie keine Angst haben muss.
"Ich mache dir ein Angebot", sage ich ernst. "Du darfst mich auf mein Schiff begleiten, ich biete dir Schutz und Arbeit. Vielleicht kannst du für die Crew Kleidung nähen oder du lässt dich an der Waffe ausbilden, das können wir noch sehen. Du musst dich nur an den Code der Araçari halten und du wirst Teil einer Familie werden, die dich respektiert, so wie du sein möchtest."
Lange Zeit starrt sie zwischen uns auf den Boden und überlegt, bis wir aufgebrachtes Stimmengewirr hören, das sich uns nähert. Schnell rappelt sie sich auf und greift verzweifelt nach meiner Hand.
"Ich komme mit dir, Captain!", ruft sie und wir rennen bis wir fast in Marits Siedlung angekommen sind.
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