Liebes Tagebuch,
die Kälte ist furchtbar, sie scheint, als krieche sie in meine Knochen. Ich sitze hier in zwei Decken eingewickelt, weil ich das Gefühl habe zu erfrieren.
Ich habe heute Morgen als erstes (gleich nach der Wohnungsvermietung) Galerien und Museen angerufen. Solch ein unhöfliches Volk habe ich noch nicht erlebt! Sie haben mich kaum aussprechen lassen und aufgelegt. Eine hat mich sogar wüst beschimpft.
Aber so schnell gebe ich nicht auf! Obwohl ein Sturm vor dem Fenster tobte, war ich nicht bereit, mich wieder am Telefon abwiegeln zu lassen, wie ein nerviges Kind.
Mit Regenjacke und Gummistiefeln bewaffnet bin ich die zwei Straßen zur renommierten Galerie “Andreo” gelaufen. Zu meiner Überraschung war es nicht nur draußen, trotz des Regens, wärmer als in meiner Wohnung, sondern der Empfang in der Galerie äußerst freundlich.
Ein kleiner glatzköpfiger Mann, mit einem breiten Lächeln, kam aus einem Nebenraum gesprungen, kaum dass die Glocke über der Tür, mein Eintreten verkündet hatte.
Erleichtert hab’ ich zurückgelächelt und nach einem kleinen Small Talk, der sich hauptsächlich auf das schreckliche Wetter bezog, schilderte ich ihm das ich ein Bild auf einem Flohmarkt in schlechtem Zustand erworben haben.
Entgegen meiner Befürchtung, er würde mich gleich wieder hinauswerfen, weil er kein Geld mit mir verdienen würde , war er äußerst neugierig. Wahrscheinlich, weil ich so begeistert von meinem Fund gesprochen habe. Ich gebe zu meine Euphorie bekam neuen Schwung mehr über das Gemälde heraus zu finden.
Ich hatte Fotos von dem Bild gemacht, kurz bevor ich in den Sturm gezogen war. Gespannt, was er sagen würde, holte ich mein Handy aus der Tasche. Der gute Mann setzte sich erwartungsvoll die Brille auf, linste auf mein Display, als ich stolz die Bildergalerie öffnete, doch da war nichts. Kein einziges Foto von dem Porträt. Dabei war ich absolut sicher, dass ich sie geschossen hatte. Mehrere! Aus jedem erdenklichen Winkel ... Wahrscheinlich war mein Speicher voll und ich habe es nicht bemerkt oder das Ding defekt. Vielleicht hatte das dumme Handy auch bei dem Sturm zu viel Feuchtigkeit abbekommen?
Ich kann es mir bis jetzt nicht erklären.
Um nicht völlig umsonst raus in das Unwetter getreten zu sein und dem Galeriebesitzer, der etwas enttäuscht, aber immer noch freundlich wirkte, die Zeit gestohlen zu haben, begann ich linkisch das Bild zu beschreiben.
Meine Versuche müssen furchtbar gewesen sein, der arme Mann wirkte mit jeder Sekunde mehr, als hätte ich tödliche Krankheiten rezitiert und ihm erklärt, er würde daran sterben.
Als selbst mir die Worte ausgegangen waren, um das Porträt geistig zu malen, rang der Glatzköpfige nervös mit seinen Händen. Ich meinte sogar einen leichten Schweißfilm auf seiner Stirn zu entdecken. Von Freundlichkeit war keine Spur mehr zu erkennen, etwas Gehetztes lag in seinem Blick.
Ich glaube, in meinem ganzen Leben wurde ich noch nie so schnell aus einem Laden komplementiert. Wobei es nur noch gefehlt hätte, dass er mich mit seinen Händen durch die Tür schob.
Nun, wahrscheinlich hatte er gehofft, er könnte mir einen Rubens oder Picasso abjagen, den ich auf dem Flohmarkt unwissend erworben habe und war, um so enttäuschter kein Geschäft mit mir machen zu können.
Auf meiner Suche nach dem Ursprung und der Geschichte meines Fundes werde ich jedenfalls nicht länger auf die Kunstwelt vertrauen.
Für morgen habe ich mir vorgenommen im örtlichen Archiv zu recherchieren und bei einem dieser Handy Reparatur Shops vorbeizuschauen. Als ich zu Hause war, konnte ich die Bilder, die zuvor verschwunden waren, wieder aufrufen. Das Ding hat also definitiv einen Knacks.
Nach so einem Tag und dieser Kälte gönne ich mir erst mal ein Glas Wein, mir werden schon wieder die Finger so kalt.
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