Liebes Tagebuch,
verzeih den Abbruch des letzten Eintrags. Kaum hatte ich die Frage über die Lippen gebracht war es wieder da. Das Klopfen , lauter und eindringlicher als je zuvor, ich meinte die Vibration der Schläge in meinem Körper zu spüren.
Wie gefroren saß ich an meinem Küchentresen und starrte auf die Tür, von der die Geräusche zu kommen schienen. Ich bewegte mich keinen Meter, klammerte mich weiter an meine Tasse. Mir kam nicht in den Sinn, zur Tür zu gehen und nachzusehen. Alles, was ich wollte, war das es aufhörte. Ich weiß nicht wie lange es anhielt Minuten ? Stunden? Mit einem lauten Knall hörte es so unvermittelt auf, wie es begonnen hatte.
Erst dann sah ich zu dem Geist vor mir auf, der ebenfalls zur Tür starrte, mit einem finsteren Blick und einer gehobenen Augenbraue. Wahrscheinlich war er wirklich nur eine Halluzination. Denn das war genau die Reaktion, die ich gern gehabt hätte.
“Ich nehme an, du verursachst das Klopfen nicht?” Ich seufzte, völlig erschöpft von all dem, was ich weder verstand noch einordnen konnte.
Seine Entgegnung auf meine Frage war ein kurzes, aber deutliches Kopfschütteln. Fasziniert beobachtete ich, dass sich seine haselnussfarbenen Locken dabei nicht bewegten.
Sarkastisch kam mir in den Sinn, dass ich mit einer zeitlosen Frisur sterben sollte. Ab diesem Zeitpunkt war mir egal, ob ich mit einer Halluzination oder einem echten Geist sprach.
“Ich weiß nicht, ob du echt bist, aber wahrscheinlich ist das völlig unerheblich. Ich will, dass das aufhört. Die Kälte, der Gestank , das Klopfen alles davon. Können Geister riechen? Oder Kälte spüren?” ich stützte auf eine Hand mein Kinn ab, während ich ihn musterte. Die ganze Situation war absurd. Falls ich mit meiner Halluzination sprach und diese Einbildungen auch die Kälte und den Gestank verursachten sowie das Klopfen brauchte ich eine lange Therapie. Vielleicht reichte es auch umzuziehen? In dem Motel schien alles normal mit mir. Wäre auf jeden Fall billiger als…
Eine halb durchscheinende Hand wedelte vor meinem Gesichtsfeld. Gedankenversunken sah ich zu ihm auf.
“Entschuldige, ich überlege, ob ich umziehe. Therapieplätze sind echt rar, die Pandemie du weißt schon, wahrscheinlich nicht, da warst du schon Tod. Oh Gott, das war unfreundlich…” Hilflos glitt ich mir mit den Händen über das Gesicht. Falls es noch niemandem aufgefallen ist, wenn ich nervös bin, rede ich , viel und wirr.
Ich schielte zu ihm, er lächelte dieses kleine entschuldigende Lächeln, das signalisierte “ist okay, ich verstehe dich, keine Panik.” zumindest war mir meine Halluzination sympathisch.
“Danke.” Prostend erhob ich meine Tasse, natürlich war der Kaffee eiskalt und ich verzog das Gesicht.
Mein Geist, so würde ich ihn von nun an nennen, zeigte zur Tür, schüttelte den Kopf, er rieb sich über die Schultern, wieder ein verneinen, genauso als er sich die Nase zuhielt.
Optisch hatte das Schauspiel etwas zwischen einem Stummfilm und einem Bugs Bunny Cartoon.
“Dann wäre die nächste Frage ob ich mir das alles einbilde.” abwartend sah ich ihn an, doch statt mir zu antworten löste er sich einfach in nichts auf.
Sein Porträt war plötzlich wieder auf der Leinwand.
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