N'Arahn beendete seine Drehung und bedeutete dem Publikum mit einer knappen Geste Ruhe. Augenblicklich herrschte Stille, denn es waren nur seine eigenen Diener anwesend, von denen nicht einer gewagt hätte, nun noch einen Laut von sich zu geben.
Der Höllenfürst erhob seine Stimme und wusste, er war auf dem gesamten Gelände der Arena zu hören: „Wie es sich für uns gehört, tun wir alle auch in den Schlachtenpausen gut daran, stets in Form zu bleiben. Dafür haben wir diese Arena, die schon einiges an Schweiß und Blut gesehen hat. Doch heute ist es ein wenig anders. Heute möchte ich als euer Herr ein wenig für Zerstreuung sorgen." Er machte eine kurze Pause, prüfte, ob die Stille weiterhin eingehalten wurde. Nichts regte sich. „Heute wird nicht euer Blut vergossen, denn wir haben einen Ehrengast!" Den dieses Mal aufbrandenden Jubel und das dazugehörige Getöse ließ N'Arahn mit einem schiefen Grinsen zu.
Wieder hob er die Hand und sofort endete der Lärm.
„Herzlich Willkommen in der Arena, Engel."
Mit einer spöttischen Verbeugung wies er auf das Gitter, hinter dem Veidja ihn beobachtete. Mit einem Knirschen fuhr das Hindernis nach oben und gab den Weg für den Engel auf den Sandboden frei. Nur ein winziges Zögern, dann trat sie hoch aufgerichtet auf ihn zu. Ihre bernsteinfarbenen Augen fixierten ihn über den großen Abstand hinweg. N'Arahn musste ihr widerwillig Anerkennung zollen. Sie hatte von dem Seiteneingang aus die Ausmaße der Arena nicht einschätzen können, doch sie schien unbeeindruckt. Trotz der immensen Höhe der Ränge, voll mit seinen Dienern, trotz des riesigen Ovals der Arena, vollständig umschlossen von schwarzem Fels. Die Kuppel, die sich über die Arena spannte, warf Lichtreflexe in kunstvollem Zusammenspiel zurück, so dass keine eigene Beleuchtung des Arenabodens notwendig war.
All das wurde von Veidja keines Blickes gewürdigt. Ihre bloßen Füße fanden selbstsicher einen Weg über den Sand, bis N'Arahn sie einige Schritte entfernt von sich stoppte, ihr einfach die Möglichkeit nahm, sich weiter auf ihn zu zu bewegen. Nur kurz verzog sich ihr Gesicht zu einem wütenden Ausdruck, schon trug sie wieder eine gelassene, aber konzentrierte Miene zur Schau.
Da er sie sicher festgesetzte wusste, schließlich konnte er jetzt keine unerwartete Störung gebrauchen, wandte sich der Höllenfürst wieder seinem Publikum zu.
„Dieser Engel wird uns in Zukunft ein wenig Würze in unsere Wettkämpfe bringen. Sie ist ein Schlachtenengel, erprobt in vielen Kämpfen, versiert in der Kunst des Dämonentötens." Raunen und Zischen erhob sich, prasselte auf N'Arahn und seinen Engel herab. Er grinste wieder und sprach weiter:„Keine Sorge, mit bloßen Händen kann sie euch nicht alle töten." Vereinzeltes Gekicher und hysterisches Kreischen hallte zu ihm herunter.
Hatte der Engel gerade „Glaubst du." gemurmelt? Überhebliches Biest.
„Sie wird in Zukunft hier antreten, damit ihr etwas über die Kampfweise von Engeln lernt. Daher muss ich euch gleich enttäuschen: Auch wenn es ein noch so schönes Gefühl ist, sie wird vorerst nicht getötet." Keine Proteste, er hatte auch keine erwartet. „Eure Hauptmänner werden euch jeweils für Kämpfe zuweisen. Der erste, und für heute einzige, Kampf wird jedoch von mir persönlich ausgetragen. Schließlich soll sie sich hier ja erst einmal eingewöhnen."
Er drehte sich wieder zu Veidja, die ihn aufmerksam beobachtete. Ihr Blick war ihm auf ungewohnte Weise unangenehm, als könne sie etwas sehen, das er versuchte zu verbergen. Wobei er keine Idee hatte, was das sein könnte.
„Gib dein Schlimmstes, Engel. Keine Rüstungen, keine Waffen. Mal sehen, wie lange du durchhältst."
Höhnisches, schräges Gelächter schallte von oben herunter. Mit Unmut sah N'Arahn hinauf, griff in Gedanken durch die Reihen seiner Diener und fand einen halb wahnsinnigen Geist. Sofort spürte er, wie die anderen Kriecher von dem noch immer lauthals lachenden niederen Dämonen abrückten.
„Ah, wir haben einen Gönner. Einer meiner Diener möchte unbedingt deine Chancen angleichen."
Ein Gedankenimpuls genügte, schon bahnte sich Darr rücksichtslos einen Weg zu dem Kriecher, der das Unglück nicht kommen sah. Der Hauptmann griff sich den Dämonen und warf ihn mit einer einzigen schwungvollen Bewegung vom Rang in die Arena. Kreischend segelte der rotbraune Körper durch die Luft, bis er mit einem knirschenden Geräusch und verdrehten Gliedern auf dem Sandboden ankam.
Als N'Arahn sich zu ihm runterbeugte, war noch Leben in seinem Diener. Mitleidslos besah er sich den zerschmetterten Körper, griff sich einen Arm und zog die Kreatur in Richtung des Engels.
Mit einem Seitblick zu Veidja fragte er: „Was möchtest du haben? Ein Horn?"
Ein lautes Krachen und er brach ein Horn, das dem Kriecher seitlich aus dem Kopf wuchs, direkt am Schädel ab, so dass sich ein Stück Kopfhaut mit löste. Ein hohes Wimmern kam von dem Fleischsack, das der Höllenfürst jedoch völlig ignorierte.
„Vielleicht lieber eine Kralle?" Er hielt dem Engel eine Krallenhand seines Dieners hin. „Das ist doch eine schöne, die eignet sich gut als Waffe." Mit einem Ruck riss er den wulstigen Finger samt Klaue am Übergang zur Hand ab. Das Wimmern steigerte sich zu einem Kreischen.
„Nein, ich weiß etwas besseres."
N'Arahn zog ein zuckendes Bein so gerade, wie es ihm möglich war. Ah, er genoss diesen Auftritt. Er konnte die Abscheu des Engels fast schmecken, so intensiv war Veidjas Unbehagen. Energisch griff er mit beiden Händen in den Oberschenkel des niederen Dämons, durchtrennte Haut und Sehnen mit den Fingerspitzen, glitt durch Muskelfleisch und legte seine Hände um den Oberschenkelknochen. Es wurde blutig und glitschig, und er musste den Körper des Kriechers mit einem Fuß auf dem Boden fixieren, doch nach etwas Reißen hielt er den langen, breiten Knochen hoch.
„Nur noch etwas Reste entfernen, so etwa..." Er wischte den Knochen an dem zuckenden, schreienden Bündel am Boden ab. „...eine Spitze fehlt noch..." Mit einem knallenden Geräusch brach er ein Ende des Knochens ab und ließ so ein scharfkantiges Ende entstehen. „...und schon hat dir dein Gönner eine vorzügliche Waffe geschenkt."
Der Höllenfürst warf den Knochen zu dem Horn und der Kralle und blickte den Engel an. „Oder soll er dir mit etwas anderem dienen?"
N'Arahn löste seinen Schattengriff um den Engel; sie sollte sich wieder frei bewegen können. Bleich schüttelte Veidja den Kopf. Der Höllenfürst feixte innerlich. Die Gelassenheit des Engels war durchaus angreifbar. Mal sehen. Er wandte sich wieder dem sterbenden Kriecher zu, der Trommelfell zerfetzende Töne von sich gab.
„Du störst."
Mit einem Tritt zerstampfte er ihm die Kehle, so dass augenblicklich fast unheimliche Ruhe herrschte. Die Dämonen auf den Rängen gaben nicht einmal ein Rascheln von sich.
In dieser Stille waren die Schritte des Engels gut hörbar, obwohl sie mehr über den Sand schwebte, als in ihn zu treten. N'Arahn drehte sich nicht zu ihr, noch musste er nicht verraten, wie überlegen er war. Da. Ein greller Schmerz zog sich von seiner rechten Seite aus bis tief in seinen Bauch. Keuchend lachte der Höllenfürst auf und schlug in einer halben Drehung mit dem Handrücken nach Veidja, damit sie den Knochen nicht wieder herausziehen konnte, den sie in seinen Körper gerammt hatte.
„Du kämpfst ja schmutzig, kleiner Engel, wer hätte das gedacht."
Er grinste sie wild an, der Schmerz befeuerte seine Kampfeslust. Sein Blut tropfte heiß an seiner Hüfte entlang, noch nur ein dünnes Rinnsal. Er ließ den angespitzen Knochen, wo er war; er behinderte ihn kaum.
„Komm, komm nur. Versuch es noch einmal."
N'Arahn hielt seine Arme weit geöffnet, als würde der Engel in seine Umarmung springen wollen. Veidja sah ihn aus ihrer geduckten Haltung mit zusammengekniffenen Augen an, begann ihn langsam und wachsam zu umkreisen.
Wieder ließ er es zu, dass sie ihn von hinten angriff, doch dieses Mal drehte er sich im letzten Moment um, so dass der Engel gegen seine Brust prallte. Etwas Spitzes traf die Seite seines Halses, verfehlte jedoch das eigentliche Ziel. Dieses Biest hatte sich zusätzlich wohl die Kralle des Kriechers genommen.
Der Höllenfürst ließ sich vom Schwung mittragen, so dass er auf dem Rücken im Sand landete. Dabei legte er seine Arme fest um den Körper des Engels, damit sie nicht wieder aufspringen konnte. Sie war wirklich schnell und wendig, verdammt. Doch er war stärker, größer und schwerer. In seinem Griff fühlte er eine erste Rippe brechen, dann eine zweite. Der Druck der Kralle auf seinen Hals ließ nach, was N'Arahn nutzte, um ebenfalls seine Umarmung zu lockern. Er legte dem Engel eine Hand in den Nacken und zog sie mit einer brutalen Bewegung am Hals neben sich in den Sand. Direkt folgte er und setzte sich auf sie, blockierte ihre Beine.
Veidja gab trotz allem keinen Laut von sich. Beeindruckend, dachte N'Arahn abgelenkt. Und wieder dieser intensive, fixierende Blick. Er wusste, sie musste Schmerzen haben, doch sie ließ sich diese nicht anmerken. Sie wand sich unter ihm, um wieder frei zu kommen. Die Kralle hatte sie nicht losgelassen, stach damit nach seinen Beinen. Er fing ihre Hand ab und brach ihr beiläufig den Unterarm.
Ihre Blicke hatten sich ineinander verschränkt, keiner ließ den anderen aus den Augen. N'Arahn spürte, wie sich sein Kopf leerte. Sein Körper kämpfte, Schmerz brach neu auf, als es Veidja gelang, mit der unversehrten Hand den Knochen aus seiner Seite zu ziehen. Doch er fühlte sich nicht recht beteiligt, als er ihr den Knochen wieder entrang und die Spitze durch ihre Hand tief in den Boden trieb. Längst hätte der Kampfrausch übernehmen müssen. Der Drang, den Engel zu töten sollte bereits überwältigend sein.
Doch der Geruch von Veidjas Blut, wie es sich im Sand mit seinem mischte, und diese bernsteinfarbenen Augen... Wie entrückt beugte er sich näher zu ihr. Wollte mehr von diesem Geruch. Mehr von ihr.
Nur am Rande bekam er mit, wie der Engel den Pflock wieder aus dem weichen Boden zog und Hand mitsamt Pflock zwischen ihre Körper brachte. Erst als seine Brust die scharfkantige Spitze berührte, war ihm, als würde er in seinen Körper zurückgezogen.
Der Engel knurrte ihn an. „Komm, komm nur", äffte sie seine Aufforderung vom Beginn nach. N'Arahn verzog voll Unglauben das Gesicht zu einem so weiten Grinsen, das ihm fast die Mundwinkel reißen wollten. Dann richtete er sich wieder auf und lachte schallend. Was auch immer ihn eben zurückgehalten hatte, es war wieder vorbei. Jetzt würde er den Engel zum Schreien bringen.
Der Höllenfürst griff sich den Arm des Engels und riss den angespitzen Knochen mit einem Ruck aus Veidjas Hand.
„Kleiner Schmetterling, jetzt wirst du aufgespießt."
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