!!Triggerwarnung!!
Sexuelle Inhalte, auch sexueller Missbrauch/ sexualisierte Gewalt
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Der Herr der Festung ging, die Tür fiel zu, sie war wieder alleine. Veidja hätte sich gerne bedeckt, fühlte sich aber nicht dazu in der Lage. Sie war nur erleichtert, dass alle gegangen waren.
Sofort fiel sie in einen unruhigen, kaum erholsamen Schlaf. Sie hatte Alpträume von roten Augen, gezischten Versprechen von Folter und Missbrauch, von grüner Haut auf ihrem Körper. Jedes Mal wenn sie hochschreckte, war sie jedoch weiterhin allein. Als sie sich kräftig genug fühlte, zog sie die Reste ihres Hemdes über sich zusammen. Ihre Muskeln und Wunden schmerzten, zwischen ihren Beinen brannte es.
Sie versuchte, möglichst schnell wieder zu schlafen, doch die Alpträume ließen sie nicht in Ruhe. Als ihre Eskorte kam, war Veidja gerade so in der Lage, sich auf den Beinen zu halten, aber sie stolperte mehr, als sie lief. Bis zum Bad war es glücklicherweise nicht weit.
Dort angekommen, entledigte sie sich wie immer vor der Tür ihrer Kleidung. Dieses Mal fiel es ihr schwerer; die Blicke der Höllenkreaturen erschienen ihr bohrender als sonst. Sie schleppte sich zum Becken und ließ sich ohne Umschweife ins Wasser gleiten. Trotz ihrer Schmerzen und Schwäche wusch sie sich mehrfach und so gründlich, wie es ihr möglich war. Genoss den Schmerz der Wunden fast, wenn sie sie besonders ausgiebig ausspülte. Er kam Veidja rein vor, als könne sie die Berührungen des Höllenfürsten damit überdecken. Sie versuchte, alle Gerüche und Rückstände von sich zu reiben, um damit auch die Erinnerungen auszutreiben.
Es gelang nur bedingt, doch ein wenig half die Routine. Der Engel streckte sich auf dem warmen harten Boden aus, starrte die Steine entlang und suchte nach schönen Gedanken. Doch sie kreisten immer wieder um den abscheulichen Übergriff des Dämonen. Seine Berührungen. Seine lähmenden Kräfte, die sie zusätzlich zu den Wunden hilflos gehalten hatten.
Die körperliche Vereinigung war für Engel alles andere als ein Tabuthema. Als Sie die Engel erschuf, hatte Sie sie verschiedene Geschlechter erschaffen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sowohl das Vertraute als auch das Fremde lieben zu lernen.
Oft, gerade vor und nach großen Schlachten, gab es Feste voller Musik und Blumen, mit Tanz und Lachen. Insbesondere die Engelskrieger benötigten eine Zeit, in der sie die Grausamkeiten des Schlachtfeldes vergessen konnten. Die Feste boten Gelegenheit, das Leben und die Liebe zu feiern, Verbundenheit zu spüren. Wer die körperliche Nähe benötigte, suchte sich einen oder mehrere Partner um Zärtlichkeiten und Leidenschaft auszutauschen. Natürlich gab es auch Engel, die sich fest aneinander banden. Doch gerade die Schlachtenengel wussten, dass sie den heute Geliebten bei der nächsten Schließung schon verlieren konnten oder selbst den Weg zur nächsten Inkarnation antraten. Deswegen blieben sie häufig ungebunden, suchten sich innige, aber möglicherweise kurze Zuwendung untereinander oder bei abenteuerlustigen Engeln anderer Kasten.
Veidja erinnerte sich zurück an den Tag vor der Schließung, vor ihrer letzten Beteiligung an der Ewigen Schlacht. Ihr damaliger Partner war ebenfalls ein Krieger gewesen, Weron. Ihnen beiden hatten die Tänze und das gemeinsame Feiern nicht gereicht. Sie waren es gewöhnt, ihre Gefühle intensiv über ihre Körper auszudrücken, hatten sich daher in einem der Gärten wiedergefunden.
Als er sie mit dem Rücken an einen Baum gedrückt hatte, hatten sie sich innig geküsst. Seine Hand auf ihrer Brust, sie an seinem Gürtel nestelnd. Finger wanderten über Körper, immer sachte. Sie war forscher gewesen, er hatte es genossen erforscht zu werden. Erst nachdem sie sich ausgiebig mit ihren Händen verwöhnt hatten, waren sie ins Gras gesunken. Sie liebten sich mehrfach, waren zwischendurch in Gespräche versunken, dann wieder ineinander. Er war ein ruhiger doch erfahrener Liebhaber. In ihrer letzten Schlacht hatte auch er gekämpft. Sie wusste nicht, ob er siegreich daraus hervorgegangen war.
Alle Engel, die solch eine Partnerschaft mit ihr eingegangen waren, waren darauf bedacht gewesen, ihr zu geben, was sie brauchte. Und Veidja ebenso für jeden von ihnen. Immer waren die Beteiligten voller Hingabe gewesen. Es ging um gleichwertiges Geben und Nehmen, darum, sich angenommen und wertgeschätzt zu fühlen. Schönes zu erleben, wenn jede Schlacht neue Grässlichkeiten brachte.
Dieser grünhäutige Höllenfürst dagegen... Er hatte genommen, was er wollte und wie er es wollte. Und hatte einzig Schmerz und Erniedrigung zu geben.
Dämonen waren eben nur ein verdrehter Abklatsch der Engel. Von Ihm nach Seinem Fall nach dem Bild der Engel erschaffen, doch pervertiert. Engel und Dämonen waren kompatibel, doch nicht vereinbar.
Veidja schauderte bei dem Gedanken, auf welche Art Dämonen sich miteinander vergnügten. Oder was ein Verführer wie ihr Peiniger unter Menschen anrichten konnte. Wieder fiel es einem finsteren Schatten gleich über sie, wie ausgeliefert sie ihm gewesen war. Wie er gesucht hatte, was für sie schlimmer, noch schlimmer sein könnte. Was er vielleicht noch getan hätte, wenn der Herr der Festung nicht gekommen wäre.
Sie krümmte sich vor Grauen zusammen. Hatte wieder Tazeels Gesicht vor Augen, wie er sie mit blutigem Mund angrinste, sich die Lippen leckte. Ihr die Luft abdrückte, um sie gefügig zu machen. Sich an ihrem Leid ergötzte.
Ein anderes Bild schob sich davor. N‘Arahn, wie er den Grünhäutigen an die Wand presst. Ihn aus dem Raum wirft. Aber auch die gezischte Unterhaltung.
Nachdenklich runzelte Veidja mit geschlossenen Augen die Stirn. Da kam ein weiteres Problem auf sie zu, wenn man davon absah, dass sie bereits in einer äußerst unerfreulichen Situation steckte. Sie hatte bisher nicht daran gedacht, dass es außer Kampf und Verstümmelung weitere Gefahren für sie geben konnte. Vergewaltigung war für Engel undenkbar. Und bei Dämonen dachten Krieger ausschließlich in den Kategorien lebendig und tot. Lüsternheit war auf dem Schlachtfeld nicht zu finden. Welche Erfahrungen andere mit Dämonen machten, war für sie nicht wichtig, solange die Ewige Schlacht nicht zum Weißen Berg getragen wurde.
Doch jetzt... Die Worte und Taten des rotäugigen Höllenfürsten hatten ihr einen neuen Aspekt von Qualen aufgezeigt. Und für diesen hatte sie keine Schutzschilde. Schmerz konnte sie ertragen. Dem, wenn auch nur vorübergehenden, Tod hatte sie immer unerschrocken entgegen geblickt. Die Gefahr einer gezielten Folter war überschaubar gewesen, niemand hatte im Kampfgetümmel Zeit für ausgedehnte Grausamkeiten. Und was Höllenfürsten und ihre Kreaturen nach den Schlachten taten... Sie hatte sich nie dafür interessiert, es geschah schließlich auf der anderen, unerreichbaren Seite.
Selbst hier, in Gefangenschaft eines Höllenfürsten, hatte sich das bisher kaum geändert.
Die Ruhe und die Wärme des Bades taten Veidja gut. Sie hatte den Eindruck, wieder klarer denken zu können, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Sie atmete freier. Nüchtern überlegte sie, ob ihre Gedanken alle Facetten beleuchtet hatten.
Nein, natürlich nicht.
Im Laufe der Äonen waren immer wieder Engel verschwunden und nicht wiedergekehrt. Es hatte Gerüchte gegeben, Geschichten von Verrat und Unsäglicherem. Sie hatte nicht darauf geachtet. Ihr hatte das Leben als Kriegerin gefallen, ein Rausch aus Kampf für den richtigen Weg und dem Genießen in den Ruhepausen, dass dieses Leben weiterging. Wenn man sie fragte, was sie von den Überlieferungen hielt oder versuchte, sie in tiefschürfendere Gespräche zu verwickeln, winkte sie immer ab. „Wenn meine Alte Seele genug gekämpft hat, werde ich mich als Erhebende oder Archivarin wiederfinden. Bis dahin überlasse ich das Grübeln den anderen.“
Jetzt aber bröckelte ihre Sicherheit frappierend. Sie war gefangengenommen worden, nicht getötet. Da sie dann weiterhin kämpfen konnte, hatte es für sie keinen Grund zum Hinterfragen gegeben. Doch Höllenfürsten hatten durchaus nicht nur das Leben auf dem Schlachtfeld. Sie waren grausam und liebten es Zerstörung und Tod zu bringen. Doch galt das für alle auf die gleiche Art? Nein, Veidja wusste von ihren unterschiedlichen Wegen und Zielen. Höhere Dämonen waren nicht hirnlos wie die Masse ihrer Kreaturen.
Sie musste bitter über sich selbst lachen. Wie hätte der Krieg zwischen dem Weißen Berg und den Roten Tiefen sonst auch so lange dauern können? Wie sonst erklärte es sich, dass die Menschen noch immer dämonischen Einflüsterungen ausgeliefert waren?
Sie hätte es besser wissen können, hatte es einfach nicht gewollt. Es hatte sie erst in ausweglose Gefangenschaft schlagen müssen, und hier in eine besonders erschütternde Situation, dass sie ihre selbst auferlegten Schleier abnahm. Zu spät? Vielleicht.
Sie war naiv gewesen, kurzsichtig. Und das so lange, sogar unter Dämonen, denn aus irgendeinem Grund hatte ihr Kerkermeister bisher kein Interesse daran gezeigt, sie über ein bestimmtes Maß hinaus zu quälen. Sie zitterte bei dem Gedanken, welche Mittel und Wege N‘Arahn nicht genutzt hatte. Was ihr vielleicht noch bevorstand. Sie empfand keine Dankbarkeit gegenüber dem Kriegstreiber. Warum auch immer er sich zurückhielt, er würde seine Gründe haben. Gründe, die zu seinem Vorteil waren, nicht zu ihrem.
Gütige Mutter… Sie durfte sich nicht zu tief in diese finsteren Gedanken sinken lassen, sonst würde ihre Angst übernehmen und sie handlungsunfähig machen. Einen Vorgeschmack dieser Panik hatte sie vorhin gespürt und sie lauerte weiterhin am Rand ihres Fühlens, bereit, Zähne und Klauen in ihr Fleisch zu schlagen.
Aber sie war nicht dumm. Sie hatte ihren Körper abgehärtet, das konnte sie auch mit ihrem Geist. Ihn zur Waffe schmieden. Die Eigenarten, Begierden und sicherlich vorhandenen Vorurteile ihrer Feinde gegen sie wenden.
Sie seufzte. In der Theorie hörte sich das ja gut an. Aber sie hatte viele Zyklen gebraucht, um nach ihrer letzten Wiederkehr eine vollwertige Kriegerin zu werden. Dabei hatte sie fast alles außer Acht gelassen, das nicht mit dem Kriegshandwerk zusammenhing, da sie dieses als ihre einzige und wahre Berufung empfunden hatte. Und nun... Sie hatte kaum Zeit, ihren Geist zu schulen und ihr Herz zu verhärten. Sie war ohne Lehrmeister, noch dazu in feindlicher Umgebung, jegliche Unterstützung missend. Sie war angeschlagen, geistig wie körperlich.
Und sie war noch immer ein Engel, nicht gemacht für verdrehte Ränke und Lüge. Sie konnte sich selbst schneller zerstören, als es die Höllenfürsten vermochten; sie konnte... fallen. Der ultimative Sieg für Ihn und die Seinen.
Ein Schritt nach dem anderen, ermahnte sie sich. Du musst erst wieder zu Kräften kommen. Musst lernen, diese neuen Grausamkeiten zumindest so weit wie möglich von dir weg zu halten.
Sie hörte die Diener des Höllenfürsten an der Tür.
Lerne schnell, Veidja!
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