Jeder sagt, dass es etwas Schlechtes ist, dass der Virus sie zwingt drinnen zu bleiben. Sie vermissen es ihre Freunde zu treffen, sie vermissen essen und zu Partys zu gehen. Für mich jedoch klingt keines dieser Dinge wie Spaß. Sie klingen schauderhaft. Nur der Gedanke daran das Haus zu verlassen erfüllt mich mit Panik. Deshalb war ich, vor dem Virus, bei einem „Menschen-Gassi-Geh“-Service angemeldet. Es ist ähnlich wie ein Hunde-Gassi-Geh Service, nur anders herum. Damit ich draußen entspannter bin, brachte mir einmal die Woche jemand einen Hund, mit dem ich spazieren gehen konnte. Ich war überrascht,wie gut das funktionierte. Ich habe sogar angefangen mich darauf zu freuen, hauptsächlich, weil mir der Umgang mit den Tieren Spaß machte.
Aufgrund des Virus pausiert der Service.
Ich habe seit 3 Monaten das Haus nicht verlassen und ich vermisse es auch nicht. Ich vermisse die Hunde, klar, aber mit ihnen raus gehen zu müssen vermisse ich nicht. Drinnen, wo keine anderen Menschen sind, ist es so viel schöner.
Heute sollte das erste Mal seit Beginn des Virus sein, an dem jemand mir einen Hund bringt. Ich bin mir nicht sicher, wie ich darüber fühle. Nach so langer Zeit begann der Gedanke, das Haus verlassen zu müssen, sich wieder wie Folter an zu fühlen. Ich hoffte Sally zu bekommen, ein deutscher Schäferhund, welcher der niedlichste Hund überhaupt ist. Sie freut sich stets mich zu sehen und ist der sanfteste Hund, den ich kenne. Von allen Hunden mag ich sie am liebsten.
Es klingelte. Panik erfasste mich. Ich musste mich sammeln. Meine Hände zitterten und mir war schlecht. In meinem Kopf ging ich all die Strategien durch, welche mir helfen sollten, mich zu beruhigen. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, zählte langsam bis 3 und ging zur Tür. Dort angekommen wiederholte ich diese Strategie. Tief einatmen, die Hand auf die Türklinke legen, ausatmen. Eins. Einatmen...Ausatmen. Zwei. Ein... Aus. Drei. Ich öffnete die Tür. Obwohl ich noch einen Moment vorher komplett auf meine Atmung konzentriert war, vergaß ich sofort komplett zu atmen, als ich sah, was vor mir war. Da stand keine Person, nett lächelnd und kein erfreuter Hund, um mich zu begrüßen. Wobei, da war EIN Hund. Nur nicht die Art, die ich erwartet hatte. Vor mir stand, vielleicht 2 Meter hoch, was man als Hund beschreiben konnte. Seine 3 Paar Augen schauten mich erwartungsvoll an. Ich schloss die Tür. 3 Paar Augen. 3 Köpfe. Ich musste aus Versehen hyperventiliert haben und nun halluzinieren. Ich konzentrierte mich wieder auf meine Atmung, besonders darauf achtend ruhig zu atmen und öffnete die Tür erneut. Da saß noch immer dieser große Hund mit 3 Köpfen. Nun bemerkte ich auch eine Notiz, welche am Halsband des mittleren Kopfes befestigt war. „Hallo! Ich heiße Cerberus. Ich bin hier, um dich bedingungslos vor den Untoten zu beschützen.“
Cerberus? War das nicht der Hund aus der griechischen oder römischen Mythologie, welcher die Hölle bewachte? Ich kann mir nie merken, welche der beiden Mythologien was enthält.
Der linke Kopf kam näher und legte etwas vor meine Füße. Ich war zu sehr unter Schock, um mich zu bewegen, obwohl ich wohl die Tür zuschlagen und mich irgendwo verstecken sollte. Stattdessen schaute ich zum Boden. Da lag eine Leine. Scheinbar wollte er, dass ich mit ihm Gassi gehe. Er hat mich noch nicht gefressen und seine Körpersprache wirkte freundlich, soweit ich erkennen konnte. Also nahm ich die Leine, welche an einer Seite drei Enden hatte für die drei Halsbänder der Köpfe. Ich fühlte mich, als hätte eine Autopilotfunktion meinen Körper übernommen, während ich die Leine an dem Hund befestigte und das andere Ende in die Hand nahm.
Cerberus lief schwanzwedelnd neben mir her, genau wie es die gut trainierten Hunde stets taten. Aus reiner Gewohnheit lief ich den Weg, welchen ich immer mit den Hunden ging. Die Straße entlang, so weit wie nötig, um einen kleinen Wald zu erreichen, in welchem nur wenige andere Leute waren. Zunächst nahm ich um mich herum nichts wahr und folgte nur meinen automatisierten Bewegungen, doch nach einer Weile beruhigte ich mich genug um fest zu stellen, dass ich noch keine anderen Menschen gesehen hatte. Ich war zwar etwas froh, dass es so war, doch ich registrierte es trotzdem als ungewöhnlich. Nachdem sie so lange zu Hause bleiben mussten und sich die ganze Zeit darüber beschwert hatten, würde man denken, dass sie regelrecht ins Freie strömten, jetzt wo sie es wieder durften. Aber ich konnte niemanden sehen.
Etwas in meinem Kopf meldete sich. Etwas, was ich vorher nicht bewusst wahrgenommen hatte, was mir aber trotzdem in Erinnerung geblieben war. Ich schaute Cerberus an. Mein Körper folgte weiterhin der Gewohnheit, welche es mir erlaubte so zu tun, als wäre alles normal. Die Notiz hing noch immer an dem Halsband. Die Notiz welche sagte... Warte. Stand da was von Untoten? Ich stoppte abrupt. Die gespielte Normalität meiner Handlungen wurde von meiner Erkenntnis sofort zerstört. Wie ein gut erzogener Hund es tun würde, hielt Cerberus neben mir, setzte sich und schaute mich aufmerksam an, auf weitere Anweisungen wartend. Ich griff nach der Notiz, riss sie vom Halsband und las sie erneuert, diesmal bemüht alle Worte zu verstehen. „um dich bedingungslos vor den Untoten zu beschützen“ ... „den Untoten“. Das stand wirklich da. Irgendwie hatte ich mehr Probleme diese Worte zu realisieren als die Tatsache, dass ein 2 Meter großer, dreiköpfiger Hund neben mir saß.
Dann meldete sich der Teil von mir, welcher zu viele apokalyptische Filme und Serien gesehen hatte. Was wenn dieses Virus, welches alle für drei Monate in ihre Häusern eingesperrt hatte, nicht die Art Virus war, über die man gelesen hat. Was wenn die Medien und das Internet gelogen haben?
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