„Tyler, warum hast du Dallas gleich umgebracht?“, fragte er nach einer Weile. Er behielt einen Abstand bei, wo Tyler ihn nicht mit einem Schwertstreich erreichen konnte.
„Ich brauche niemanden, der hier bleibt und die Klappe über dein Überleben nicht halten kann. Oder über das Unterfangen, das ich vorhabe. Ich hatte alle drei vorher gewarnt, als ich mir in den Kopf gesetzt hatte, nach San Francisco zu gehen, dass eine Umentscheidung hässliche Folgen haben könnte. Wodka ist schlau genug um zu wissen, welche Seite die vorteilhafteste ist und Carlos… naja, persönliche Angelegenheiten lassen ihn nie zögern.“
„Warte mal… Wodka ist also nur mit von der Partie, weil er der Meinung ist, dass das vorteilhafter ist als das Leben in der Siedlung?“ Tyler nickte. „Was ist, wenn wir auf dem Weg 'ne Gruppe treffen, die „vorteilhafter“ für ihn ist als wir?“, fragte Alex verdutzt.
„Endet er so wie Dallas.“ Nun dämmerte es ihm, warum Tyler das Wort „Freunde“ so merkwürdig betont hatte. Es war mehr eine Zweckgemeinschaft, wenn das überhaupt noch zutraf…
„Ich hab schon einige verrückte Leute getroffen, aber du bist echt die Krönung.“
„Tche…“, machte Tyler nur, schwieg aber.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich-“
„Verdammte kacke, Strubbelbirne, bist du nur am Labern, oder was?“, fragte Tyler genervt und Alex stutzte. Noch nie hatte jemand gesagt, dass er zu viel redete.
„Du laberst doch nicht weniger, du Vollidiot!“ Tyler schwieg eine Weile und schaute den dunkelhaarigen grimmig an.
„Kannst froh sein, dass ich dich noch brauch, Strubbelbirne…“, murrte er und Alex lachte triumphierend. „Oh ja, mach ruhig weiter so. Da fällt mir die Entscheidung leichter, ob ich dir deinen Kopf nicht doch abschlage, ihn aushöhle wie einen reifen Kürbis und ihn als Lampe mit mir herum schleppe. Ich wette, du gibst 'nen tollen Halloween-Kürbis ab.“
„Mhm… sagt der Richtige. Du siehst von uns beiden furchteinflößender aus mit deinen Narben und deinen nichtvorhandenen Augenbr-“ Alex konnte sich grade noch weg ducken, als Tyler ihn mit dem Schwert angriff. „Fuuuuck!“, meckerte Alex dann, als Tyler sein Schwert zurück in die Scheide steckte.
„Ich HAB Augenbrauen.“, sagte Tyler dann total gelassen und ging weiter, als ob nichts gewesen wäre. Oops, offenbar hab ich da einen Nerv getroffen…, dachte er sich und folgte ihm langsam. Aber wie zur Hölle schafft er es sein verdammtes Schwert zu ziehen, ohne dass ich es sehe…? Und wer rennt heute überhaupt noch mit 'nem Schwert rum… Die sind doch sicher schon seit paar hundert Jahren aus der Mode… Er starrte auf das Schwert, das Tyler auf dem Rücken trug. „Hey, Strubbelbirne.“, riss Tyler ihn plötzlich aus seinen Gedanken. „Dir ist schon klar, dass du Rebecca mit in den Tod ziehst, wenn du sie mitnimmst, oder?“
„Sie heißt Rachel, verdammt… Und ich glaub nicht, dass wir da alle drauf gehen werden. Nicht mal du wärst so verrückt da hin zu gehen, wenn du dir hundertprozentig sicher wärst, dass du da abkratzt. Und ehrlich gesagt… Solang du in unserer Nähe bleibst, kann ich mich wohl relativ sicher fühlen.“
„Fang nicht an zu schleimen, Andrew.“
„Alex. Du Freak…“, korrigierte er ihn erneut und er machte daraufhin eine wegwerfende Handbewegung.
„Wie auch immer. Fängt beides mit 'nem A an.“ Tyler warf ihm ein breites Grinsen zu und blieb dann stehen. „So, Endstation.“ Er schob sich die Taschenlampe in den Mund und kletterte eine Leiter herauf. Dann öffnete er den Gully und stieg auf die Straße. Alex folgte ihm sofort. „Dreh dich mal um.“, sagte Tyler dann, als Alex auf der Straße stand, doch dieser rührte sich nicht.
„Nimm's mir nicht übel, aber ich kenn dich nicht gut genug, um dir freiwillig den Rücken zuzudrehen.“ Tyler grinste mit raus gestreckter Zunge und drückte ihm seine Taschenlampe in die Hand.
„Dann pack die wenigstens ein. Vielleicht brauchen wir die noch.“ Zögernd nahm er Tylers Taschenlampe und packte sie zusammen mit der, die er selbst benutzt hatte, in seinen Rucksack. „Wie praktisch, dass du einen Rucksack dabei hast.“, sagte Tyler dann und schaute sich um. „Also? Wo lang?“ Alex war sich nicht sicher, ob er ihn wirklich mit zu ihrer Siedlung nehmen sollte. Er vertraute diesem verrückten Spinner nicht wirklich und er war nicht scharf drauf, dass der irgendwann wieder kommt und alle abmetzelt. Andererseits wollte er so schnell wie möglich zu Rachel und er hatte keine Idee und keine Zeit, wie er Tyler abschütteln könnte. Also zeigte er in eine Richtung, nach Südwesten.
„Da lang.“, sagte er schließlich und beide Männer gingen schweigend nebeneinander her. Erst, als das Gebäude in Sichtweite kam, blieb Alex stehen und Tyler schaute ihn fragend an.
„Was ist?“
„Im Gegensatz zu deinen Leuten wissen meine, wie man schießt. Wir haben immer zwei Schützen auf dem Dach und einige Männer und Frauen, die weiter unten Wache stehen. Sie sind nicht grad freundlich zu Fremden, also benimm dich wie ein Freund von mir.“
„Ich denke, das krieg ich hin, Strubbelbirne.“, sagte er dann grinsend, Alex war sich aber nicht so sicher. Mag sein, dass er gut andere Leute täuschen konnte, aber seine Siedlung war sein schräges Aussehen nicht gewohnt. Gut möglich, dass sie schnell auf ihn zielten, wenn sie in seine irren Augen schauten. Alex schaute zu den Schützen hoch und tatsächlich hatte der Eine Tyler und Alex schon im Visier. Alex hob eine Hand und der Schütze entspannte sich etwas, dann ging er mit Tyler im Schlepptau weiter. „In dem Ding wohnt ihr? Sieht mir nicht sehr sicher aus.“
„Deswegen die übertriebene Wache. Aber ich dränge unsere Anführerin schon seit Wochen, dass wir uns ein neues Heim suchen sollten.“
„Offenbar vergeblich.“, erwiderte Tyler und Alex nickte nur. Dann kletterte er den Truck rauf, der hinter dem Gebäude stand und der Blonde folgte ihm leichtfüßig. „Und das soll euer Zugang sein…? Habt ihr keine alten Leute hier?“
„Doch, mehr als junge, aber die verlassen das Gebäude nicht. Daher haben wir alle Zugänge gesperrt und gehen durch dieses kleine Fenster rein und raus.“ Er deutete auf ein Fenster, sprang auf das Dach des Anbaus und öffnete es. „Die Mutierten sind bisher nicht drauf gekommen, dass es hier rein geht.“
„Hm.“, machte Tyler und folgte ihm.
„Ach bevor wir reingehen… Behalt dein Schwert in der Scheide. Und die Pistolen da, wo sie jetzt sind.“
„Ja, ja, schon klar. Du hast meine Leute nicht angegriffen, also greif ich deine auch nicht an.“, antwortete er und zog den Pulli über die Pistole, die er hinten im Hosenbund stecken hatte. Alex kletterte durchs Fenster, wartete, bis Tyler durchgesprungen war und schloss es wieder.
„Hier lang.“, sagte Alex dann und deutete auf die linke Seite des Ganges, in dem sie nun standen. Er ging voraus und Tyler folgte wieder. „Was hast du eigentlich mit meinem Funkgerät gemacht?“
„Geschrottet. Irgend so eine Kuh hat ununterbrochen rein gefaselt. Das hat mich genervt, also hab ich es kaputt gemacht.“
„Super…“, antwortete Alex und ging die Treppen rauf. „Du schuldest mir 'n neues Funkgerät, Kumpel.“ Tyler lachte kurz, ging aber nicht weiter drauf ein. Kurz bevor die beiden Männer Alex' und Rachels Wohnung erreichten, kramte er seinen Schlüssel raus.
„Alex?“, fragte auf einmal eine bekannte Stimme und Alex und Tyler wandten sich zum Sprecher. Es war Grant, der grade schwer bewaffnet runter gehen wollte. Die beiden Männer begrüßten sich erfreut und Tyler schob die Hände in die Hosentaschen. „Wo warst du die letzten zwei Wochen?“
„In 'nem Drecksloch.“, antwortete er und wollte nicht grade rum erzählen, dass sein Retter ihn dort auch rein gesteckt hatte. „Das ist Tyler. Er hat mich sozusagen da raus geholt.“
„Ich bin Grant.“, stellte der Ältere sich vor und reichte Tyler die Hand, die er nur nickend annahm.
„Ist Leandra hier?“
„Ja. Übrigens, wir hatten uns ja schon vor einer ganzen Weile entschieden. Wäre schön, wenn du dir heut Abend Zeit nehmen könntest.“, sagte Grant, doch Alex fuhr sich durch die Haare.
„Äh… Das wird wohl erstmal nichts. Ich hab Tyler versprochen, dass ich mit ihm nach San Francisco geh. Wir sind nur hier, um paar Sachen und Rachel zu holen.“ Grant wurde plötzlich bleich.
„Ihr wollt nach San Francisco?“
„Ich hab ihn schon aufgeklärt, was da auf uns wartet. Aber die Vorräte dort lass ich mir nur ungern entgehen.“, antwortete Tyler, bevor Alex irgendwas sagen konnte. Grant betrachtete Tyler prüfend und der Blonde zuckte mit der Hand Richtung Schwert, Alex bemerkte das aber rechtzeitig und schlug ihm die flache Hand an die Brust.
„Naja, er sieht überlebensfähiger aus als du, Alex, und das will schon was heißen. Aber ich halte es für keine gute Idee Rachel mitzunehmen. Es ist dort zu gefährlich, von dem Marsch dorthin mal ganz zu schweigen.“
„Ist mir aber lieber, als wenn sie hier bleibt und ich nicht auf sie aufpassen kann. Außerdem glaub ich kaum, dass sie einfach hier bleiben wird.“, antwortete Alex dann und Grant schwieg. Dann schlängelte der Jüngere sich an Grant vorbei. „Ich meld' mich ab und zu über Funk. Das heißt, sobald mir ein gewisser Herr ein neues Funkgerät besorgt hat.“ Er drehte sich zu Tyler um, der ihm nur breit grinsend den Mittelfinger zeigte.
„Da hast du dein Funkgerät, Keule.“ Auch Tyler wollte grade an Grant vorbei gehen, als dieser ihn am Arm packte.
„Du machst 'n zähen Eindruck, also pass mir gut auf die beiden auf, ok?“ Tyler starrte den Älteren mit einem unglaublich bösartigen Blick an und grade, als er den Mund zu einem Grinsen verzog und etwas sagen wollte, packte Alex ihn und zog ihn mit sich.
„Wird er!“, brüllte Alex dann zurück zu Grant, während er seinen zeitweiligen Weggefährten weiter die Treppe hinauf schob. „Meine Fresse, wurdest du als Kind zu heiß gebadet, oder was…?“
„Gut möglich.“, antwortete Tyler dann wieder erschreckend ernst, als ob dies wirklich der Grund für sein Benehmen wäre. Alex schwieg lieber, obwohl er gerne den Kopf geschüttelt hätte. Aber selbst das konnte er sich grade so noch verkneifen, bis er die Tür zu seiner und Rachels Wohnung aufschloss.
„Rachel?!“, rief er in die Wohnung und wartete auf eine Reaktion. Derweil schaute sich Tyler in dem Zimmer um und rümpfte die Nase. „Hm, sie ist wohl nicht hier.“ Er wandte sich zu Tyler, der sich grade etwas in den Mund gestopft hatte. „Was zum… Was hast du da grade gegessen?!“ Der Blonde wandte sich der Packung zu, über die er sich zuvor gebeugt hatte und schaute auf das Etikett.
„Weiß nicht. Steht kein Name drauf.“ Er kaute ein paar Mal und schluckte es dann runter. „Schmeckt… ungewöhnlich. Was ist das?“ Er hielt Alex die Packung hin, sodass er den Inhalt sehen konnte.
„Du Volltrottel hast grade Köder für die Mutierten gegessen…“ Alex nahm ihm die Packung weg und stellte sie woanders hin.
„Köder für die Mutierten? Wozu denn das…? Wollt ihr die einfangen und als Haustiere halten?“ Er stocherte in den Zähnen rum. „Aus was sind die gemacht…? Schmeckt so 'n bisschen wie Huhn.“
„Glaub mir, du willst nicht wissen, was da drin ist…“, antwortete Alex nur, packte ihn am Pulli und zog ihn mit aus der Wohnung. „Wir benutzen die, um die Mutierten aus Gebäuden heraus zu locken. Da können unsere Schützen sie besser erschießen, ohne dass wir mit Verlusten rechnen müssen.“
„Was ist da drin, Strubbelbirne…?“, fragte Tyler dann noch mal nach, doch Alex schwieg nur. Er wollte ihm nicht sagen, dass er grade Menschenfleisch gegessen hatte. Doch plötzlich hörte er das Geräusch einer Pistole, die entsichert wird, erschreckend dicht an seinem linken Ohr. „Ich wiederhol's zum letzten Mal: Was ist da drin…?“ Alex wandte sich zu Tyler um, schaute in den Lauf einer Pistole und haderte mit sich, ob er ihm die Wahrheit sagen sollte. Schließlich machte er den Mund auf, um etwas zu sagen, schloss ihn aber nach kurzer Zeit wieder.
„Willst du mich abknallen, nur weil ich nicht sagen will, was drin ist?“, fragte er schließlich.
„Exakt, Strubbelbirne.“, antwortete Tyler erschreckend ernst. „Also…?“ Alex zögerte noch einen Augenblick und entschloss sich dann dafür, ihn anzulügen.
„Das ist Huhn.“ Tyler schaute ihn mit verengten Augen an, nahm die Waffe aber noch immer nicht aus Alex' Gesicht.
„Willst du mich veräppeln, oder was? Ich weiß, wie Huhn schmeckt und auch, wenn das so ähnlich ist, schmeckt es anders. Von der Farbe ganz zu schweigen.“ Scheiße, kann der nicht einfach so dumm sein, wie er aussieht??
„Ok… du willst es wissen…“ Er zögerte ein weiteres Mal. „Das… war Menschenfleisch.“
„Mhm.“, machte Tyler nur und als er seine Waffe zurück in das Holster stecken wollte, zuckte Alex kurz zusammen. „Beruhig dich mal.“, sagte er dann, grinste Alex an und ging an ihm vorbei zu den Treppen. Was zur Hölle…, dachte Alex total perplex. Er frisst Menschenfleisch und ist dann so gelassen?! „Komm schon, Strubbelbirne. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, um deine Schwester zu suchen.“ Noch immer total verdutzt über Tylers Reaktion folgte er dem Blonden und zog die Wohnungstür hinter sich zu. Dann ging er voran die nächste Treppe hoch und grade, als sie auf dem Zwischenpodest waren, kamen zwei Leute aus der Tür, die zu Leandras Wohnung führte. Die eine Person war Leandra selbst und die andere war Rachel. Als die Afroamerikanerin Alex sah, schwieg sie, verabschiedete sich von Rachel und verschwand wieder hinter der Metalltür. Alex' Schwester hingegen wandte sich den beiden Männern zu. Freudestrahlend fiel sie ihrem Bruder um den Hals.
„Dir geht's gut! Ein Glück! Ich hab mir solche Sorgen gemacht…!“ Dann wandte sie sich grinsend an den Blonden. „Tyler! Schön, dass du auch hier bist. Und danke, dass du Alex da raus geholt hast.“ Alex fuhr erschrocken zu ihm herum und Tyler verzog das Gesicht, als ob er grade etwas unglaublich ekliges gegessen hätte. So eine Reaktion hätte Alex erwartet, als der Trottel die Köder gegessen hatte.
„Wah…“, machte er dann und schaute seine kleine Schwester verwirrt an. „Hab ich was verpasst?“
„Hast du ihm das nicht erzählt?“ Rachel schaute verdutzt zu Tyler, als sie die Frage stellte und Alex war nun noch verwirrter.
„Was zur Hölle läuft hier…?!“ Er wollte grade in Tylers Pulli greifen und ihn aus dem nächsten Fenster werfen, als Tyler eine seiner Pistolen zog und die Mündung an Alex' Stirn drückte. Der Blonde lachte kurz.
„Was hab ich mir nur dabei gedacht 'nen alleinerziehenden Vater mitnehmen zu wollen…“ Alex holte zu einem Schlag aus, als Rachel dazwischen ging.
„Oh man, ihr seid wie kleine Jungs. Reißt euch mal zusammen… Alex, pass auf. Als wir in dem Stadion waren und du mir die Chance zu flüchten gegeben hast, hab ich draußen erst gemerkt, dass du nicht hinter mir warst. Also wollte ich wieder zurück und dir helfen, kam aber nicht wieder in das Gebäude. Also bin ich da noch 'ne Weile rum geschlichen und irgendwann traf ich dann auf Tyler. Er hatte mir versprochen, dass er dich dort raus holt und hat mich dann ein ganzes Stück nach Haus begleitet, damit mir nichts passiert.“
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