Alex schwieg und schaute grimmig zu Tyler, dann ließ er den Pulli los und der Blonde steckte seine Pistole wieder weg.
„Hat er dich angefasst? Oder dir weh getan?“
„Oh Gott nein… Er hat schön 'nen Meter Abstand gehalten und kaum 'n Wort verloren. Außer seinem Namen und 'n bisschen über seine Pläne mit dir weiß ich absolut nichts über ihn. Aber er kam mir sympathischer vor als da, wo er uns einsperren wollte.“ Sympathisch?!, dachte Alex und schaute seinen zeitweiligen Gefährten grübelnd an. Bisher find ich ihn nicht besonders sympathisch… Tyler verengte ein Auge, als Alex ihn anstarrte.
„Du hättest wirklich mal 'n Wort erwähnen können…“, sagte Alex dann und der andere lachte.
„Nö, so war's viel witziger.“ Er kratzte sich den Kopf und schaute sich dann kurz um. „Wenn wir schon hier sind… solltet ihr vielleicht noch ein paar Dinge mitnehmen, die ihr brauchen könntet.“
„“Ihr“?“, fragte Rachel verwirrt und schaute ihren Bruder an.
„Du kommst mit nach San Francisco.“, bestimmte Alex dann und ging die Treppe wieder zu seiner Wohnung runter, um Tylers Rat zu befolgen.
„Wie jetzt…?“, fragte Rachel verwirrt nach und rannte ihm hinterher. Tyler seufzte einmal und folgte dann ebenfalls. „Du sträubst dich sonst mit Händen und Füßen mich mitzunehmen, wenn du nur zwei Straßen weiter willst und jetzt, wenn du in die wahrscheinlich gefährlichste Stadt an der ganzen Westküste willst, nimmst du mich mit?“
„Beschwer dich nicht so viel, Rabea, sonst lässt er dich noch hier.“, sagte Tyler und popelte desinteressiert in seinem Ohr, während Alex ein paar Dinge in seinen Rucksack tat. Unter anderem auch Köder für die Mutierten.
„Mein Name ist Rachel.“, antwortete sie verdutzt, doch Tyler zog nur die Schultern hoch.
„Sie könnte sich so viel beschweren, wie sie will, Tyler, ich nehm sie so oder so mit. Noch kannst es dir aussuchen: Entweder wir beide oder keiner von uns.“
„Jaaaa, ja, was auch immer. Macht hinne. Ich würde gerne noch los, bevor irgendjemand deine Leiche obduzieren will und merkt, dass sie gar nicht da ist.“
„Seine… seine Leiche…?“
„Erklär ich dir später, Rachel. Geh paar Sachen zusammen packen, bevor der werte Herr Verstandlos noch ungemütlich wird.“
„Klappe, Strubbelbirne. Sonst kick ich dich noch mal vom Dach. Oder ich mach die Drohung mit deinem Kopf als Halloween-Lampe wahr.“ Alex verzog das Gesicht. Halt DU die Klappe und iss noch 'nen Köder…, dachte er, konnte sich den Kommentar aber grade so verkneifen. Er warf sich seinen Rucksack um und die beiden Männer warteten auf Rachel. Es dauerte nicht lang, bis die drei die Treppen herunter gingen.
„Alex, willst du Leandra nicht Bescheid sagen?“, fragte Rachel, als sie voran durch das Fenster kletterte. Auf dem Dach wandte sie sich zu ihrem Bruder um.
„Nö.“, antwortete er und kletterte ebenfalls durch das Fenster. „Ich hab Grant gesagt, dass wir weg sind. Das muss reichen. Leandra hätte eh wieder nur was dran auszusetzen.“
„Hm…“, machte Rachel dann und sprang auf den Truck. „Magst du wohl recht haben.“
„Wer ist Leandra überhaupt? Der Name fiel jetzt schon paar Mal, seit wir hier sind, Strubbelbirne.“, wollte Tyler wissen, schloss das Fenster und Alex, der ebenfalls grade auf den Truck gesprungen war, wandte sich zu dem Blonden um.
„Unsere Anführerin. Hab dir ja schon kurz von ihr erzählt.“ Tyler lachte kurz schnaufend, folgte den beiden Geschwistern, die grad auf den Asphalt sprangen, stopfte seinen Pulli zwischen Pistole und Rücken und rückte sein Schwert zurecht.
„Diese Olle, die nicht aus dieser Bruchbude raus will?“
„Genau.“, antworteten die beiden Geschwister gleichzeitig und Tyler zog seine unsichtbaren Augenbrauen hoch.
„Leg 'n paar Köder in ihr Zimmer, dann wird sie sehen, wie sicher ihre Bude ist. Vielleicht hört sie dann endlich auf dich, wenn 'n Mutierter bisschen an ihr geknabbert hat.“, schlug der Blonde dann vor, doch Alex und Rachel waren davon nicht besonders begeistert.
Auf dem Weg zum Stadion erklärte Alex seiner Schwester dann, was während ihrer Abwesenheit passiert war und als er fertig geredet hatte, bedankte sie sich erneut bei Tyler. Er tat dies aber nur mit einem Schnaufen ab und wandte sich von den beiden Geschwistern weg. Es dauerte nicht all zu lang, bis sie wieder beim Stadion waren und Tyler den anderen beiden die Tür öffnete.
„Verhaltet euch ruhig. Vor allem du, Zwergin.“, mahnte er die beiden, als er durch den Gang ging. Den Raum, in dem der tote Dallas noch immer in seinem eigenen Blut lag, ignorierte er, doch Rachel stieß einen kurzen unterdrückten Schrei aus. „Still, hab ich gesagt, verdammte Scheiße…!“, schnarrte Tyler sie an und als er herumfuhr, stellte sich Alex zwischen die beiden.
„Im Gegensatz zu dir sieht sie nicht oft geköpfte Leute irgendwo rum liegen.“, schnauzte er den Blonden vor sich an, der die Nase rümpfte und weiter ging. Rachel klammerte sich an Alex‘ Arm, als er dem anderen folgte.
„Ihr wartet hier. Bin gleich wieder da.“, sagte Tyler, als sie an einer Treppe ankamen und er flitzte die Stufen hinauf. Alex und Rachel warteten unten und kurz darauf kamen Carlos und Wodka zu den Geschwistern. Die beiden Männer stellten sich kurz vor, blieben aber recht wortkarg. Erst, als Tyler wieder die Treppe herunter kam, wurde die angespannte Stimmung etwas lockerer. Abgesehen von Alex' Stimmung, der sich in Tylers Nähe noch immer nicht wirklich wohl fühlte. Er hoffte, dass es sich bald legen würde, sonst würde er vor Anspannung noch einen Herzinfarkt erleiden.
Zu fünft verließen sie das Stadion und Alex fiel auf, dass die drei anderen ziemliche große Rucksäcke mit sich herum schleppten. Wenn sie zwei Wochen unterwegs sein würden, würden sie sich sicher bald pesten, dass sie so viel mit sich herum schleppten.
„Tyler, kann ich dich was fragen…?“, unterbrach Rachel nach einer Weile das Schweigen und der Blonde schaute mit einem Gesicht zu ihr runter, das Alex nicht wirklich deuten konnte. Sah aus wie eine Mischung aus Abscheu und Schock. Dennoch nickte er schweigend. „Wo bekommt man so ein Schwert her?“ Sie deutete auf das Schwert, das zwischen seinem Rücken und dem Rucksack steckte.
„Hab ich gefunden.“, antwortete er nur und beschleunigte plötzlich seinen Schritt. Rachel wollte ihm hinterher laufen, doch Alex schnappte sich ihren Arm und hinderte sie daran.
„Geh ihm nicht so auf die Nerven. Bin nicht scharf drauf, dass er dich auch noch köpft.“ Sie fasste sich an den Hals und schaute erschrocken zu dem Blonden, der auf ein Gebäude zusteuerte. Kurz vor der Eingangstür blieb er plötzlich stehen und deutete mit einer Handbewegung an, dass die anderen ebenfalls stehen bleiben sollten. Alex spitzte sofort die Ohren und lauschte, ob irgendein Mutierter in der Nähe war. Und tatsächlich hörte er das Röcheln und Stöhnen einiger Flitzer. Sie gaben immer solche Geräusche von sich, wenn sie langsam zu Keifern wurden. Die Verwandlung sah immer ziemlich schmerzhaft aus und in dieser Phase waren sie zum Glück leichte Opfer.
„Hermano…“, flüsterte Tyler zu Carlos, der langsam zu seinem Gefährten ging. Er flüsterte dem lateinamerikanischen Mann etwas zu, der dann zu Wodka, Alex und Rachel ging.
„Kommt mit.“, wisperte er und als Wodka und Rachel Carlos folgen wollten, blieb Alex stehen. Er schaute stattdessen zu Tyler, der sein Schwert in der Hand hatte und vorsichtig die Tür öffnete.
„Rachel, bleib bei den beiden, aber verschwinde nicht aus meinem Sichtfeld, ok?“, sagte er leise und seine Schwester nickte nur. Dann nahm er sein Gewehr und ging zu Tyler, der sich verwundert umdrehte.
„Verpiss dich. Die krieg ich schon noch allein gekillt.“, zischte der Blonde ihn an, doch Alex zog die Augenbrauen zusammen.
„Sei doch nicht so blöd, Mann… Die da verwandeln sich grad. Als Nahkämpfer hast du schlechtere Karten als ich, also lass mich das lieber machen. Die nächste Gruppe, die wir treffen, darfst du dann gern zerhackstückeln.“ Tyler schwieg, starrte ihn aber grimmig an. Schließlich ging er dann zwei Schritte zur Seite und bot ihm mit einer Handbewegung die Türöffnung an. Alex ging ohne zu zögern in das Haus und hielt sein Gewehr bereit. Es war stockfinster hier und er hatte Probleme diese Mutierten zu sehen.
„Deine Nachtblindheit wird durch dein Visier nicht besser, Vollidiot…“, flüsterte Tyler hinter ihm, doch er versuchte ihn zu ignorieren. Er war nicht nachtblind, aber dennoch war sein Gehör besser als seine Augen im Dunkeln. „Lass mich vorgehen, damit du nicht irgendwo gegen rennst.“ Er schuppste Alex beiseite und stapfte über den Schutt, der auf dem Boden lag. Die Mutierten verstummten kurz, als sie die Geräusche hörten und wurden dann lauter.
„Tyler…!“, schnarrte Alex ihn an, doch der Blonde ignorierte ihn.
„Bleib einfach da, Strubbelbirne. Ich hol sie her, du schießt sie ab.“ Der Vollidiot will sich als Köder anbieten?!, dachte Alex erschrocken und wollte ihm hinterher, doch Tyler knipste das Licht einer Taschenlampe an. Nun sah Alex die Mutierten und sie sahen die beiden Männer. Fuck! Ohne zu zögern erschoss er so schnell er konnte die Mutierten, die in schwerfälligen Bewegungen auf Tyler zusteuerten. Dennoch hatte Tyler genug zu tun einigen Flitzern auszuweichen, die noch nicht ganz so fortgeschritten in ihrer Mutation waren wie die anderen in diesem Haus. Es dauerte nicht lang, bis Tyler einem letzten Flitzer sein Schwert durch den Schädel stieß.
„Hast du 'ne Macke, oder was?!“, fuhr Alex ihn an, als er die Klinge heraus zog und an einer dreckigen Tischdecke säuberte. Er grinste Alex breit an.
„Lief doch super.“, antwortete er dann, steckte sein Schwert zurück und ging an Alex vorbei zur Tür, um die anderen drei zu holen.
„Willst du mich verarschen?! Du hättest drauf gehen können!“
„Bin ich aber nicht, also reg dich ab.“ Alex hätte ihm am liebsten auch ein neues Luftloch für sein Hirn geschossen, konnte es sich aber grade so verkneifen und schulterte sein Gewehr stattdessen. Dieser verdammte Penner bringt uns noch ins Grab, bevor wir in der Nähe von San Francisco sind…, dachte er sich und schaute sich in dem Raum um. Was will der Sack hier eigentlich…? „Alex, steh da nicht wie angewurzelt rum.“, unterbrach der Blonde plötzlich seine Gedanken. Rachel, Wodka und Carlos kamen grade in das Haus, während Tyler Alex an der Schulter packte und ihn mit sich zog. „Ich hoffe, du kannst fahren.“, sagte er dann und Alex schaute ihn verdutzt an. Er wollte grade fragen, warum, als Tyler grinsend zu einem Fahrzeug nickte, das im Nachbarraum stand. „Hast du wirklich gedacht, dass ich mir einen so verdammt langen Weg zu Fuß antue…?“ Er lachte kurz. „Ich bin zwar gut zu Fuß, aber ich bin manchmal auch ein wenig faul. In dieser Situation sogar ganz besonders faul.“ Die fünf gingen in den Raum, der sich als Garage heraus stellte. Das Fahrzeug war ein Jeep, die Fenster waren alle eingeschlagen und das Blech wies nicht grad wenige Beulen auf. Der Lack war zum Teil enorm zerkratzt und eine dicke Staubschicht lag auf dem gesamten Fahrzeug, sodass alle Husten mussten, als Tyler die Fahrertür öffnete und sich hinters Steuer schwang. „Hermano, mach mal das Tor auf!“, rief er dann zu Carlos rüber, der sofort spurte. Da die Mechanik des Tores wahrscheinlich schon seit Jahren nicht mehr funktionierte, versuchte der Lateinamerikaner es mit Muskelmasse, scheiterte aber.
„Wodka, hilf mir mal hier.“, sagte er dann, winkte den Russen zu sich heran und zu zweit schafften sie es, das Tor so weit zu heben, dass der Jeep hindurch passte. Während die beiden Männer sich mit dem Tor beschäftigten, versuchte Tyler das Gefährt zu starten. Es dauerte eine ganze Weile und erst, nachdem Tyler einmal kräftig gegen getreten hatte, sprang der Wagen an.
„Rein mit euch, ihr Glatzgesichter, sonst lass ich euch hier.“, sagte Tyler lachend und wartete, bis die anderen vier sich in den Jeep quetschten. Alex, Rachel und Wodka saßen hinten, während Carlos auf dem Beifahrersitz Platz nahm.
„Du hättest ruhig mal erwähnen können, dass du 'n Auto am Start hast. Hätte die Sache von vorn herein ein wenig angenehmer gemacht.“, murrte Alex und Tyler lachte wieder nur.
„Langsam müsstest du bemerkt haben, dass Tyler nicht all zu viel über seine Pläne redet.“, meinte Carlos und Wodka nickte schweigend.
„Aber er sollte mal langsam damit anfangen, wenn er nicht will, dass wir alle draufgehen.“, murrte Alex und Tyler lachte wieder.
„Vielleicht will ich ja, dass wir alle dabei drauf gehen… Mal im Ernst. Diese Welt ist beschissen und es gibt im Grunde nichts, auf das man zuarbeiten könnte. Wir leben wie Neandertaler: Immer nur versuchen zu überleben.“
„Ich bin nicht scharf darauf abzukratzen…“, murrte schließlich Carlos.
„Ist mir Wurst, Hermano.“, antwortete Tyler ernst und bog auf den Highway ab. „Alex, tu mir 'nen Gefallen und behalt die Umgebung im Auge. Wenn du Keifer siehst, knall sie rechtzeitig ab.“ Alex willigte ein und begann sich in der Landschaft umzusehen. Einige Beißer-Gruppen sah er, doch die waren kaum gefährlich. Vor allem wenn man bedachte, dass sie nicht mit einem Jeep mithalten konnten. Als sie die Stadt verließen, schauten sich alle bis auf Tyler neugierig um. Alex und Rachel waren nie außerhalb gewesen, seit sie zurück nach Portland gegangen waren. Seitdem sind elf Jahre vergangen und es hat sich einiges geändert. Die Natur hatte sich alles wieder zurück geholt, Tiere hatten sich vermehrt, da sie immun gegen das Virus waren und überall sah man Rückstände der menschlichen Zivilisation. Es war bedrückend zu sehen, auch wenn die Flora und Fauna eigentlich schön waren. Doch alles, was die Menschheit in all den Jahrtausenden auf die Beine gestellt hatte, verwitterte nun.
„Wie lange fahren wir nach San Francisco?“, wollte Rachel nach einer Weile wissen, doch alle sahen ziemlich ratlos aus.
„Wenn uns nichts dazwischen kommt, etwa neun bis zehn Stunden. Wir sollten also am Abend da sein.“, klärte Tyler schließlich auf. „Die Nacht werden wir aber außerhalb der Stadt verbringen, weil's da sicherer ist. Bei Morgengrauen gehen wir dann zu Fuß in die Stadt.“
„Bist ja plötzlich so redselig.“, spottete Alex und Tyler lachte kurz.
„Und du bist erschreckend still da hinten.“
„Ich saß schon lange in keinem Auto mehr, das fährt.“, meinte der Dunkelhaarige dann und ihm fiel auf, dass er das letzte Mal Beifahrer war, als seine Familie versuchte aus der Stadt zu fliehen, nachdem das Virus ausgebrochen war. Rachel war damals noch so jung, dass sie sich wahrscheinlich gar nicht mehr daran erinnern konnte. Dementsprechend neugierig schaute sie sich um, wie schnell die Landschaft vorbei zog und der Wind in ihren Haaren spielte. Es war merkwürdig zu sehen, wie sie darauf reagierte, denn früher war Autofahren etwas Selbstverständliches. Kommt mir wie Jahrhunderte her vor…, dachte Alex und behielt dann die Landschaft im Auge. Es dauerte nicht lang, bis sie in einen kleinen Ort kamen. Bereits als sie hineinfuhren, bemerkten sie eine große Menge Mutierter. Tyler gab vergnügt Gas und karrte durch die Masse hindurch.
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