„Tyler, bist du total bescheuert, oder was?!“, brüllte Alex ihn an, als der erste Beißer von der Stoßstange erwischt und über den Jeep hinweg geschleudert wurde. Sie hatten Glück, dass der Großteil nur Beißer waren. Vereinzelt standen noch Flitzer und Keifer herum, denen Tyler aber so gut es ging auswich. Alex schoss einige der beiden letzten Stufen mit gezielten Schüssen ab, bevor sie zu nah an den Jeep kamen und selbst, als sie aus der Ortschaft heraus fuhren, wurden sie noch verfolgt.
„Wir können froh sein, dass sie uns nicht den Weg versperrt haben.“, meinte Carlos und schaute in den rechten Seitenspiegel, um die Masse zu beobachten, die hinter dem Wagen her liefen. Alex schoss die letzten hartnäckigen Flitzer ab, die zu dicht kamen und entspannte sich dann, als sie weit genug von den anderen entfernt waren.
„Fuck…“, verschnaufte Alex und fuhr sich durch die Haare.
„Gut geschossen.“, sagte Carlos und zeigte mit dem Daumen nach oben.
„Danke…“, antwortete Alex noch immer etwas erschrocken über diesen kranken Spinner am Steuer. Er fragte sich, wessen Idee es war, Tyler ans Lenkrad zu lassen. Dennoch, musste er zugeben, war Tyler ein recht guter Fahrer und er fragte sich, wo er das gelernt hatte. Funktionierende Autos gab es nicht mehr allzu viele und Benzin gab es auch nicht grad in rauen Mengen. Bis zur Mittagszeit fuhren sie schnurstracks weiter und hielten, wenn überhaupt, nur zum Pinkeln. Erst zum Mittag hielten sie, vertraten sich die Beine, aßen etwas und Wodka sammelte Benzin aus herumstehenden Autos zusammen.
„Wie lange waren wir jetzt unterwegs?“, wollte Rachel von ihrem Bruder wissen, der auf seine Armbanduhr schaute, die mit Solarenergie betrieben wurde.
„Nicht ganz drei Stunden.“
„Puh… dann sind wir ja noch 'ne Weile unterwegs…“, stöhnte sie und schaute in den Himmel. Keine Wolke war zu sehen, die Sonne knallte erbarmungslos und alle waren froh, dass es kein Hochsommer war. Ansonsten hätten sie alle wahrscheinlich schon einen Hitzschlag erlitten.
„Alex, Ricarda, kommt mal her.“, unterbrach Tyler dann Alex' Gedanken und winkte die Geschwister zu sich heran. Tyler, Wodka und Carlos brüteten über einer Karte, als die Geschwister dazu kamen.
„Ich heiß Rachel.“, korrigierte sie Tyler dann, der sie aber nur ignorierte. Stattdessen tippte er mit dem Finger auf die Karte und schaute zu Alex hoch.
„Hier sind wir.“, sagte er dann und fuhr mit dem Finger nach Süden. „Das ist der kürzeste Weg und an dieser Stelle kommen wir an eine größere Stadt. Wir überlegen, ob wir einen Umweg drum herum machen sollten oder genau durch die Stadt durch fahren. Wodka meint, er hat hier kaum Benzin sammeln können, weil…“ Er schaute auf die Straße. „naja… siehst ja selbst. Hier stehen nicht grad viele Autos rum. In der Stadt gibt es sicherlich so viel Benzin, sodass wir locker drei Tage lang fahren könnten. Allerdings weiß ich nicht, was in der Stadt für Gestalten herum rennen. Miliz, Verrückte, Mutierte oder weiß der Teufel.“
„Wir sollten drum herum fahren. Meine Munition vermehrt sich nicht auf wundersame Weise und in einer größeren fremden Stadt sind wir wahrscheinlich nicht grad willkommen, was auch immer da wohnt. Sicherlich finden wir in kleineren Orten noch genug Benzin, um bis nach San Francisco und wieder zurück zu kommen.“, meinte Alex dann und Tyler nickte schweigend, starrte die Karte an und spielte an seinem Bart herum.
„Aber wir könnten uns dort bestimmt mit Munition versorgen.“, warf Wodka dann ein. „Vielleicht finden wir dort noch mehr Vorräte und Medikamente.“
„Nee.“, sagte Tyler dann, richtete sich auf, faltete die Karte und schob sie in eine kleine Tasche an seinem Rucksack. Dann stieg er wieder in das Auto ein. Die anderen folgten seinem Beispiel und als Tyler den Motor startete, fügte er hinzu: „Auf dem Rückweg fahren wir durch. Ich will jegliche Munition so lang wie möglich sparen und möglichen Gefahren so lang es geht aus dem Weg gehen.“
„Mhm…“, machte Alex dann. „Bist du deswegen wie ein Gaskranker durch die letzten Orte geheizt und hast mich die Größeren abschießen lassen…? Um Munition zu sparen?“ Tyler lachte wieder.
„Das war doch witzig. Hast du gesehen, wie die durch die Gegend geflogen sind und wie verdutzt die Beißer geguckt haben?“ Alex seufzte nur. Der hat doch einen verbraten… „Wenn du gut genug schießt und jeder Treffer sitzt, passt das schon, Strubbelbirne. Zur Not musst halt auf die Pistole wechseln.“ Klasse…
Nach weiteren zwei Stunden Fahrt hielten sie an einer Kreuzung und die Männer brüteten wieder über der Karte, wo sie lang fahren sollten. Geradeaus kämen sie in die Stadt, die sie nicht durchqueren wollten. Der linke Weg führte zu weit landeinwärts und über Buckelpisten, die sie lieber umgehen würden. Sie wussten nicht, wie viel der Jeep noch mitmachen würde.
„Also rechts lang.“, sagte Carlos dann, doch Tyler schüttelte langsam den Kopf.
„Ich glaub, da ist 'ne Barrikade vom Militär. Weiß nicht, ob wir da vorbei kommen.“
„Militär? Militär bedeutet Waffen und Munition im Überfluss.“, meldete sich dann Wodka und Alex horchte auf.
„Wo ist die Barriere?“, wollte Alex dann wissen und Tyler schwieg einen Augenblick.
„Etwa hier.“, antwortete er schließlich und tippte mit dem Finger auf die Karte. „Zumindest, wenn ich den Quellen trauen kann. Wie viel Munition hast du noch für dein Gewehr?“
„Mh…“, machte Alex und kippte seine Hand wie eine Waage. „Könnte mehr sein. Und es wäre mehr, wenn du Vollidiot nicht immer genau durch die Masse preschen und alle Mutierten anlocken würdest.“ Tyler grinste breit und steckte die Karte wieder ein.
„Also gut, schauen wir uns das Ding mal an und hoffen, dass wir dort paar Patronen für dich finden.“, gab er dann nach und kurz darauf fuhren sie bereits weiter. Es dauerte nicht lang, bis sie an die Barrikade kamen und Tyler fuhr langsam heran. Er beugte sich vor und schaute hinauf zu den beiden Türmen, die rechts und links neben der Straße standen. „Sieht unbemannt aus…“ Alex stimmte in Gedanken zu. Die Militärfahrzeuge standen kreuz und quer herum, wurden offensichtlich schon mehrere Jahre nicht mehr vom Platz bewegt und überall lagen Überreste von Lebewesen herum.
„Abartig…“, murrte Rachel, als sie die Knochen sah.
„So ist das nun mal.“, sagte Tyler dann, hielt den Jeep an und stieg aus. Er schaute sich kurz um, kratzte sich die linke Wange und schaute dann zu den anderen. „Strubbelbirne, auf geht’s. Ihr drei bleibt hier. Wodka, versuch dein Glück bei den Tanks.“ Ohne abzuwarten ging Tyler voran zu den Lagerhäusern, die auf der linken Straßenseite standen und Alex folgte ihm sofort. Die Tore waren verschlossen und Tyler schaute sich kurz um. „Ach… scheiß drauf.“, sagte er dann, zog die Pistole aus seinem Hosenbund und feuerte zweimal auf das Schloss, bis es nachgab.
„Ja genau, falls Mutierte in der Nähe sind und bisher nicht mitbekommen haben, dass wir hier sind. Super gemacht, Tyler.“, meinte Alex sarkastisch, als der Schuss verhallte.
„Pff bitte… Was soll uns schon passieren.“
„Uns beiden nicht, aber ich mach mir Sorgen um meine Schwester, die allein bei deinen Leuten ist. Ich hab die bisher nicht einmal schießen sehen und frag mich langsam wirklich, warum du die mitgenommen hast.“ Tyler lächelte und brach das Tor endgültig auf.
„Deine Schwester schleppt sicher nicht umsonst 'ne Schrotflinte und 'n Kampfmesser mit sich herum. Ich wette, sie schießt besser als Carlos und Wodka.“
„Bei 'ner Schrotflinte kann man nicht wirklich daneben schießen…“, meinte Alex dann und Tyler lachte. „Vielleicht solltest du deinen Jungs auch jeweils eine aufschwatzen.“
„Vergiss es.“, antwortete der Blonde, nannte aber keinen triftigen Grund. Als sie in die Halle kamen, kramten sie die Taschenlampen aus ihren Rucksäcken und suchten die Kisten, die überall herum standen, nach Scharfschützenmunition ab. Die meisten Kisten wurden bereits geplündert, dennoch fanden sie bald schon einige, die noch Munition und Waffen enthielten. „He, Strubbelbirne, brauchst du die?“, fragte Tyler nach einer Weile und zeigte ihm eine sieben Zentimeter lange Patrone.
„Ja, genau. Hast davon noch mehr?“ Der Blonde zeigte auf die Kiste, die vor ihm stand und Alex ging zu ihm rüber. Die ganze Kiste war voll bis zum Rand mit Scharfschützenmunition und am liebsten hätte er die gesamte Kiste mitgenommen. „Fuck, so viel kann ich gar nicht schleppen…“
„Dann suchen wir was, womit du das schleppen kannst.“, sagte Tyler und wandte sich ab. „Hatte das Militär nicht so 'ne komischen Gurte, wo sie die Patronen rein stecken konnten?“
„Kein Plan.“, antwortete Alex und überlegte, wann er das letzte Mal einen ordentlichen Soldaten gesehen hatte. Musste schon ewig her sein. Grübelnd stopfte er seine Hosentaschen, seinen Rucksack und die kleinen Taschen am Quergurt mit Munition voll und suchte dann nach weiteren Taschen, die er noch befüllen konnte.
„Hier! Gürteltaschen!“, rief Tyler plötzlich von irgendwo her, doch Alex sah ihn nirgends.
„Wo bist du?!“ Tyler schoss auf einmal hinter einem großen Stapel leerer Kisten hervor und schleuderte breit grinsend eine Tasche in seiner Hand hin und her. Alex lief zu ihm und nahm ihm das Ding ab. „Wir sollten für jeden von uns eine mitnehmen. Kann sicher nicht schaden.“
„Jopp.“, stimmte der Blonde zu, band sich eine um seine Hüfte und lachte plötzlich. „Ziemlich neunziger, oder?“ Alex nickte lächelnd, als er sich daran erinnerte. Er war in den 1990ern zwar noch nicht auf der Welt gewesen, hatte aber genug von seinen Eltern und aus diversen Zeitschriften erfahren. „Versteh gar nicht, warum die aus der Mode waren. Sind doch praktisch.“
„Du machst dir Sorgen um die Mode…?“, fragte Alex verdutzt und Tyler schaute ihn grinsend an.
„Nö, sonst würde ich nicht so rum laufen, wie ich rum laufe.“ Auch wieder wahr…, dachte Alex, als er kurz an Tyler runter schaute. Er fuhr wohl eher auf der „muss zweckdienlich sein“-Schiene. Aber heutzutage hatte man größere Sorgen, als sich um Klamotten den Kopf zu zerbrechen. Daher wandte sich Alex wieder ab und lief zurück zu der Scharfschützenmunition, damit er sich die Gürteltasche damit voll stopfen konnte. „Hier ist noch 9-mm-Munition!“, rief Tyler dann von der Nähe des Eingangs und packte einige Magazine in seine eigene Gürteltasche. „Und Schrot. Könnte deine Schwester vielleicht noch gebrauchen.“, fügte er hinzu, als Alex zu ihm kam. Alex nickte nur und steckte eine Packung Schrotmunition in eine weitere Gürteltasche, dann gingen die beiden Männer zurück zu den anderen. Kurz nachdem sie die Gürteltaschen verteilten, brüteten sie wieder über der Karte und überlegten, wo sie langfahren sollten. Schließlich entschlossen sie sich dazu, auf dieser Strecke zu bleiben, die Barrikade zu umfahren und somit einen Bogen um die größere Stadt zu machen. Tyler startete den Motor und die anderen stiegen ein, als Alex kurz stutzte.
„He, wie wär's, wenn wir lieber mit einem der Militär-Trucks weiter fahren. In den Jeep werden wir wohl später kaum alles, was wir in San Francisco finden, rein gestopft kriegen.“ Er deutete auf einen der Trucks, der noch in relativ guter Verfassung zu sein schien und Tyler zog seine unsichtbaren Brauen zusammen, als er Alex' Fingerzeig folgte. Schweigend stieg er aus dem Jeep, rannte zu einem der Trucks, stieg auf den Tritt und spähte durch die Seitenscheibe. Kurz darauf versuchte er die Tür zu öffnen und es gelang ihm erst, als er sich mit einem Fuß am Metall abstieß und am Türgriff zerrte. Alex hatte schon damit gerechnet, dass er runter fiel, doch als die Tür nachgab, hatte Tyler sich erschreckend gut unter Kontrolle gehabt und taumelte nicht mal. Der Blonde setzte sich auf den Fahrersitz und suchte nach dem Schlüssel.
„Wodka, guck mal, wie viel im Tank ist!“, rief er dem Russen zu, der sofort aus dem Jeep ausstieg und zum Truck eilte. Tyler hatte inzwischen den Schlüssel auf dem Fußboden des Beifahrers gefunden und steckte diesen in das Schloss. „Wie sieht's aus, Wodka?“
„Beinah randvoll.“, antwortete er und ging zur Motorhaube. Schweigend öffnete er diese, schaute sich das Innenleben an und schaute an der Haube vorbei zu Tyler. „Versuch mal zu starten. Die Batterie ist sicher leer, aber sonst sieht's gut aus.“ Der Blonde gehorchte, doch nach zweimaligen Versuchen wandte er sich an Carlos.
„Hermano, such mal nach 'nem Starthilfekabel oder 'ner Ladestation!“ Der Lateinamerikaner nickte und machte sich sofort auf die Suche. Alex hingegen kletterte auf die Ladefläche und schaute sich an, was sich darauf befand. Größtenteils waren es nur leere Kisten, die er zusammen mit Rachel einfach auf den Rasen warf. Zu ihrer Verwunderung fanden sie aber auch eine kleine Kiste mit Granaten.
„Ey, hier sind noch Handgranaten! Nehmen wir die mit oder lassen wir die hier?“ Tyler drehte sich um und schaute durch die Heckscheibe zu Alex.
„Mitnehmen, natürlich. Teste mal, ob die noch was taugen.“
„Vergiss es. Vor Sprengstoff hab ich 'nen Heidenrespekt und ich hantier mit so 'nem Zeug nicht rum.“, wehrte er dann ab und Tyler stieg seufzend aus. Er sprang auf die Ladefläche, ging zu den Geschwistern, schnappte sich eine Granate, zog den Stift und warf das Ding weit aufs Feld. Es dauerte einen Moment, bis sie hochging. Rachel presste sich die Arme auf die Ohren und Alex zuckte auch kurz zusammen. Tyler hingegen grinste nur und zog die Schultern hoch.
„Wunderbar, oder?“
„Äh ich weiß ja nicht…“, antwortete Alex und machte den Deckel wieder auf die Kiste. Der Blonde sprang wieder von der Ladefläche runter und schaute sich um. Alex hoffte, dass keine Mutierten in der Nähe waren, die den Krach gehört haben könnten. Er schaute sich ebenfalls um und stellte erleichtert fest, dass nirgends irgendwas zu sehen war.
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