„Aaaaaleeeex…“, schnurrte Tyler dann plötzlich in das Funkgerät und die beiden Geschwister schauten sich skeptisch an. „Aaaaaleeeex, ich hab 'ne Fraaaageeee…“ Alex nahm sein Funkgerät, drückte den Knopf und holte kurz Luft.
„Was willst du…“, stöhnte er dann.
„Welches Baujahr bist du?“, wollte Tyler dann wieder mit normaler Stimme wissen.
„Äh… zweitausendfünf. Warum?“ Der Blonde kicherte ins Funkgerät.
„Kennst du das noch?“ Auf einmal ertönte durch beide Funkgeräte der Geschwister ein Lied, das ein oder zwei Jahre vor dem Ausbruch um die ganze Welt ging. Begleitet mit schallendem Gelächter der anderen drei.
„Ach du Scheiße… Ja, kenn ich noch. Wo hast du denn den Mist ausgegraben?“ Alex konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen, seine Schwester schaute ihn hingegen eher erschrocken an.
„Lag im Handschuhfach. Die Soldaten mussten ziemlich verzweifelt sein, wenn sie Jahre später immer noch solche CDs im Wagen liegen haben, wa?“, meinte Tyler dann und lachte wieder. Auch Carlos und Wodka kringelten sich im Hintergrund.
„Ziemlich.“, antwortete Alex und legte das Funkgerät wieder weg.
„Was war denn das…?“, wollte Rachel wissen und drehte sich zu dem Militärtruck um.
„Vorm Ausbruch gab es ab und zu mal Idioten, die irgendein Lied erfanden, ein lustiges Video dazu machten und es ins Internet hochluden. Die Dinger verbreiteten sich dann schlimmer als das Virus, mit dem wir jetzt leben müssen…“
„Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie so 'n Internetz ausgesehen haben muss…“, sagte Rachel dann und zog sich ihren Zopf fester.
„Internet, nicht -netz.“, korrigierte ihr Bruder sie dann. Er vergaß immer wieder, dass sie damals noch viel zu klein war, als jedes Kind schon ein iPhone, einen iPod und weiß der Teufel was noch hatte. Rachel war ohne diesen Kram aufgewachsen und hat nur kaputte Handys gesehen. Doch selbst dann wusste sie nicht, was sie damit anfangen sollte.
Einige Stunden fuhr die kleine Kolonne ohne Probleme und es begann bereits langsam zu dämmern, als Alex von weitem eine riesige Ansammlung Fahrzeuge auf der Straße erkannte. Verdammt… bitte lass es keine Blockade sein…, dachte er und kniff die Augen zusammen, um es besser sehen zu können. Er fuhr etwas langsamer und nahm sich das Funkgerät.
„Tyler, ich glaub grade aus kommen wir nicht weiter. Sieht wie 'ne Blockade aus.“
„'Ne Blockade?“, fragte der Blonde nach. „Ich seh nichts.“
„Auf der Straße stehen massig Autos und bin nicht sicher, ob wir da durch kommen.“, antwortete Alex dann und nun war er sich ziemlich sicher, dass sie dort nicht einfach durchfahren konnten. Tyler schwieg eine Weile und Rachel schaute auf die Karte, ob es einen Weg drum herum gab.
„Halt mal an.“, sagte Tyler dann durch das Funkgerät und Alex bremste sofort. Auch Tyler hinter ihm bremste, sprang aus dem Truck und ging zu den Geschwistern, die ebenfalls ausstiegen. „Scheiße…“, murrte er dann, als er in die Ferne spähte. „Wir haben ja noch nicht genug Verzögerung…“
„Wenn wir zur letzten Kreuzung fahren und dann rechts abbiegen, können wir einen Bogen drum machen.“, schlug Rachel dann vor und tippte auf die Karte. Tyler fuhr sich durch die Haare.
„Die letzte Kreuzung war sicherlich 'ne dreiviertel Stunde entfernt.“, meinte Alex dann, als er versuchte sich daran zu erinnern. Tyler seufzte genervt und wanderte mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf und ab. „Die Nacht über wolltest du doch sowieso noch außerhalb der Stadt bleiben, oder nicht?“
„Ja schon… Also gut, fahren wir das Stück zurück.“ Er wollte grade zurück zum Truck gehen, als er stutzte und zu den Fahrzeugen auf der Straße schaute. „Wir sollten bei der Gelegenheit unseren Tank auffüllen. Wer weiß, wann wir das nächste Mal auf sowas treffen.“ Alex nickte zustimmend und schaute durch die Scheibe der Fahrerseite auf die Tankanzeige des Jeeps. Bisschen Benzin könnte wirklich nicht schaden. „Wodka!“, rief Tyler und winkte den Russen zu sich ran. „Wir brauchen Sprit.“ Die beiden Männer schnappten sich einige Kanister und gingen dann zu den Autos, die die Straße blockierten. Alex hatte ein unbehagliches Gefühl und holte sein Gewehr von den Rücksitzen. Durch das Visier behielt er Tyler und Wodka im Auge und schaute sich auch bei den Kraftfahrzeugen um. Als die Männer die Autos fast erreicht hatten, bemerkte Alex einige Meter weiter links eine Bewegung. Er schnappte sich das Funkgerät vom Dach des Jeeps.
„Links von euch bewegt sich was. Hab aber keine freie Schussbahn.“, sagte er dann und er sah, wie Tyler sich nach links wandte, dann nahm er das Funkgerät, das er am Hosenträger baumeln hatte.
„Hast du gesehen, was es war?“, fragte der Blonde.
„Nee.“, antwortete Alex dann und suchte die Stelle ab, wo das Wesen sich bewegt hatte. „Aber glaub nicht, dass es 'n normaler Mensch war. Tippe auf Beißer oder Flitzer.“ Tyler und Wodka waren grade dabei, die Tankdeckel diverser Fahrzeuge aufzuschrauben und die Tanks zu leeren, als Alex beide nicht mehr gleichzeitig im Visier hatte. „Bleibt dichter zusammen, wenn ihr wollt, dass ich euch den Rücken freihalten soll…“, murrte er in das Funkgerät und die beiden Männer versuchten daraufhin etwas näher beieinander zu bleiben. Grade, als sie die letzten Kanister füllten, tauchten weiter hinten einige Flitzer auf. „Fuck…“, murmelte er und schoss direkt, ohne lang zu zögern. Der erste Flitzer fiel durch einen sauberen Kopfschuss und die beiden Männer in der Nähe fuhren erschrocken zu den restlichen Mutierten um. Zuerst waren es nur vier gewesen, aber je mehr Alex und Tyler erschossen, desto mehr kamen hinter den Fahrzeugen hervor.
„Lasst die Kanister stehen und kommt zurück!“, meldete sich plötzlich Carlos per Funk, der mit Fernglas im Truck saß, doch Tyler und Wodka reagierten nicht darauf.
„Rachel, halt dich bereit.“, sagte Alex dann und schoss einen weiteren Flitzer nieder, der Wodka zu nahe kam. Seine Schwester warf die Karte, die sie noch immer in Händen gehalten hatte, auf den Beifahrersitz, nahm sich ihre Schrotflinte und positionierte sich rechts neben den Jeep. Tyler ließ schließlich die zwei Kanister stehen, die er in der rechten Hand hielt und zog sein Schwert. „Dieser Vollidiot…!“, meckerte Alex, als Tyler in den Nahkampf wechselte. Inzwischen wimmelte es zwischen den Autos nur so vor Flitzern und Alex musste sich voll darauf konzentrieren, diese Mutierten den Männern vom Hals zu halten. Wodka hatte nun seine Kanister ebenfalls stehen lassen und zog seine Pistolen. Er schoss und schoss, traf aber wirklich kaum.
„Pass auf Wodka auf!“, meldete sich plötzlich Tyler über Funk, warf das Walkie-Talkie achtlos auf die Straße und streckte einige Flitzer blitzschnell mit dem Schwert nieder. Alex gehorchte, hatte aber ein Auge auf Tyler gerichtet, falls ihm seine Waghalsigkeit doch über den Kopf wachsen sollte. Allerdings hatte er den Schwertkampf wirklich verdammt gut drauf. Obwohl die Flitzer so unglaublich schnell waren und Alex Probleme hatte, wirklich das Hirn zu treffen, hatte Tyler offenbar kaum damit zu tun, die Mutierten aufzuschlitzen, zu köpfen und abzustechen. Doch nachdem Wodka mit den Kanistern, die er sich wieder geschnappt hatte, weit genug entfernt war, konzentrierte sich die Masse nun auf Tyler, der schon auf einem regelrechten Leichenberg stand. Alex zögerte eine Sekunde, schoss dann aber einige Mutierte ab. Einige Kugeln flogen haarscharf an Tyler vorbei und Alex fluchte mehrmals, weil dieser Idiot ständig in die Schussbahn geriet. Erst bei den letzten zwei Flitzern stand Tyler so beschissen im Weg, dass Alex ihm einen Streifschuss unterhalb der linken Rippen verpasste. Warum zur Hölle muss dieser Sack auch im Weg stehen?!
„Rachel, hol Verbandszeug raus!“, befahl er seiner Schwester dann, die sofort spurte. Nachdem der letzte Flitzer gefallen war, realisierte Tyler erst, dass er angeschossen wurde. Huh… ich bin ein toter Mann…, dachte Alex, und nahm seine Arctic Warfare langsam runter. Tyler sammelte die Kanister und sein Funkgerät von der Straße auf und Alex konnte bis hier her sehen, dass der Blonde richtig stinkig war.
„Er sieht wütend aus…“, stellte Rachel fest, die nicht gesehen hatte, dass Tyler von Alex angeschossen wurde. Ihr Bruder schwieg aber nur. Er hatte gar nicht realisiert, was seine Schwester gesagt hatte, weil nur ein Gedanke lautstark in seinem Kopf umher schwirrte: Flucht. Tyler würde ihn sicher umbringen, bevor Alex sich überhaupt entschuldigen konnte.
„Du verdammter Pisser!“, brüllte Tyler dann, als er in die Nähe des Jeeps kam und zog die Pistole an seinem linken Bein. Die Kanister hatte er fallen gelassen und zielte mit der Waffe auf Alex, während er weiter auf ihn zuging. „Keiner von diesen beschissenen Flitzern verpasst mir 'nen Kratzer, aber du schaffst es mich verdammt noch mal anzuschießen!!“ Rachel schaute ihren Bruder erschrocken und verwirrt an, während der mit erhobenen Händen langsam zurück ging.
„Dann hättest du besser aufpassen müssen, dass du mir nicht vor der Linse umher hampelst…!“, konterte Alex genervt, mahnte sich aber selbst nicht so frech zu sein, wenn er in die Mündung einer Pistole starrte.
„Du bist hier der beschissene Präzisionsschütze also schieß gefälligst auch etwas präziser!“ Direkt darauf drückte Tyler ab und Rachel schrie auf, als der Schuss fiel. Alex' Herz schlug wie verrückt, als er nur einen brennenden Schmerz am Oberarm spürte. Erschrocken schaute er hin und stellte fest, dass es ebenfalls nur ein Streifschuss war. „Wenn du mich noch mal anschießt, puste ich dir ein Loch durch den Schädel!“
„Dann sei nicht so bescheuert und spring im Schussfeld umher, verdammte Scheiße!“, brüllte Alex ihn an und presste eine Hand auf die schmerzende Wunde. Tyler blieb schließlich stehen, steckte seine Pistole weg und schaute sich seine eigene Wunde an.
„Du Wichser hast meinen Pulli ruiniert!“ Verdutzt schauten die Geschwister zu Tyler. Scheiß auf die blutende Verletzung, Hauptsache Sorgen um den Pullover machen, oder was… Rachel lief zu ihrem Bruder und kümmerte sich um seinen Streifschuss, Tyler hingegen zog sich den Pulli aus, um seine eigene Verletzung besser sehen zu können. Er fluchte ein paar Mal und als Rachel mit Alex fertig war, wandte sie sich Tyler zu. Sie stutzte, als sie den Blonden vor sich stehen sah, der immer noch total angepisst drein schaute. „Gib her…“, murrte Tyler dann, als Rachel noch immer wie angewurzelt da stand und ihn anstarrte. Er hielt ihr seine flache Hand hin und zaghaft gab sie ihm das Desinfektionsmittel und die Mullbinden.
„Was… was ist das…?“, fragte Rachel dann und deutete auf eine Narbe, die nur wenige Zentimeter von der Schusswunde entfernt war, während Tyler sich das Desinfektionsmittel auf das offene Fleisch schüttete.
„'Ne Narbe.“, antwortete Tyler schroff. Er hatte nicht eine Miene verzogen, obwohl das Desinfektionsmittel wie Hölle gebrannt haben musste. Schweigend stellte er die Flasche auf das Dach von dem Jeep, band die Mullbinden um seinen Leib und schaute sich das Loch im Pulli an. „Du schuldest mir 'nen neuen Pulli, Idiot.“, sagte er dann zu Alex, ging an ihm vorbei und zog sich während dessen den Pullover wieder über. Die Geschwister bemerkten noch einige Narben auf seinem Rücken, bevor diese wieder durch den Stoff bedeckt wurden. Alex fragte sich, was Tyler wohl durchgemacht haben musste. Nicht nur, dass er einen psychischen Knacks hatte, er war auch übersät mit Narben. „Füllt euren bescheuerten Tank auf und dann lasst uns weiter fahren…“ Er deutete auf die Kanister, die neben dem Jeep standen, ohne sich umzudrehen. Dann kletterte er in den Truck und startete den Motor. Rachel stieg wieder ein und Alex füllte den Tank bis zum Rand. Den restlichen Sprit stellte er auf den Boden bei den Rücksitzen, setzte sich hinters Steuer und startete das Fahrzeug ebenfalls. Die kleine Kolonne wendete und sie fuhren schließlich die Kilometer zurück zur letzten Kreuzung. Alle schwiegen, bis auf Rachel, die ständig die Richtung angab. Mitten im Nirgendwo meldete sich Carlos dann plötzlich und bat um einen kurzen Stopp. Alex hielt den Jeep an und schaute in den Rückspiegel, als der Lateinamerikaner zu ihm ans Fenster kam.
„Wir müssen Fahrer wechseln.“, meinte Carlos, als Alex sein Fenster runter ließ. „Und wir müssen die nächste Stadt wohl nach 'ner Apotheke absuchen.“ Er nickte zu Alex Oberarm, wo sein Verband sich bereits etwas rot gefärbt hatte.
„Das geht schon.“, meinte Alex dann, als er ebenfalls zu seinem Arm schaute.
„Ja… Bei dir vielleicht.“, murrte Carlos dann und Alex zog die Augenbrauen zusammen. War die Verletzung von Tyler doch schlimmer, als sie aussah? Er griff auf den Rücksitz und zog seinen Rucksack nach vorn, aus dem er ein paar Tabletten und mehr Mullbinden holte, die er Carlos in die Hand drückte.
„Gib ihm erstmal nur eine. Wenn die in 'ner Stunde noch immer nicht wirkt, gib ihm noch 'ne halbe hinterher.“, meinte der Dunkelhaarige dann und Carlos nickte, während er sich die Verpackung anschaute.
„Gut, danke.“, sagte er dann und schaute zu seiner Schwester, die ihn besorgt anschaute. „Rachel, wo liegt die nächste Stadt?“
„Mh…“, antwortete sie und fuhr mit dem Finger die Karte entlang. „In etwa 'ner halben Stunde. Sieht aber ziemlich klein aus.“
„Egal.“, meinte Carlos dann, ging zurück zum Truck und stieg auf der Fahrerseite wieder ein. Alex schaute noch mal kurz in den Rückspiegel und fuhr dann weiter. Etwa eine halbe Stunde später sahen sie dann die winzige Stadt, die hinter einem Wald auftauchte. Allerdings verschwand die Sonne bereits hinter den Häusern und Alex war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee wäre, im Dunkeln durch eine wildfremde Stadt zu streifen. Am Stadtrand hielt er an und schaute auf die Straße vor sich. Er murrte kurz, weil er im Zwiespalt steckte. Es war ihm nicht geheuer, andererseits waren Tyler und er verletzt und er wusste nicht, wie lange die paar Arzneien reichen würden.
„Wartet hier, Rachel und ich gehen auf die Suche.“, sprach er dann ins Funkgerät und ohne eine Antwort abzuwarten nahm er sein Gewehr. Rachel schaute ihren Bruder kurz verdutzt an, stieg dann aber aus dem Jeep und nahm sich ihre Schrotflinte vom Rücksitz. Alex machte das Funkgerät am Gürtel fest, schaute zum Truck und sah, wie Tyler offenbar schlief. Die Tabletten haben ihn wohl umgehauen…, dachte er erleichtert. Carlos hob die Hand kurz zum Gruß und dann machten die Geschwister sich auf den Weg in das Städtchen.
Comments (0)
See all