Die Kultisten trafen sich bereits seit mehreren Wochen in der leerstehenden Lagerhalle. Fast genauso lange beobachtete die Dämonenprinzessin die jungen Männer bei ihrem okkulten Treiben. Dreizehn Personen waren sie, denn sie dachten dass dies eine magische und unheilvolle Zahl sei. In schwarze Kapuzenmäntel hüllten sie sich, denn sie dachten, dass dunkle Kulte das so machen müssten. Pentagramme auf den Boden gemalt und schwarze Kerzen aufgestellt hatten sie, denn sie waren der Meinung, dass das nötig wäre um einen echten Dämonen zu beschwören.
All diese Annahmen waren natürlich falsch und die Dämonin amüsierte sich über das Verhalten der Menschen. Zuerst war es die Neugier gewesen, die sie zu dem alten Lagerhaus gezogen hatte, aber mit jeder Woche schwand das Interesse an dem Kult und ihre Gründe hierherzukommen veränderten sich. Sie kam nun wegen ihm, dem Anführer des Dämonenkult, und nur wegen ihm: Jung, hochgewachsen und gut aussehend, große Autorität ausstrahlend und mit sicherer Stimme seinen Mitkultisten Befehle erteilend, war er ihr von Anfang an aufgefallen, und sie wollte ihn jede Woche wiedersehen. Die Höllenprinzessin hatte sich eingestehen müssen, dass sie sich in den Menschen verliebt hatte, auf eine Weise wie es nur ein Dämon kann.
Bei jedem ihrer Treffen hatten die Männer alle notwendigen Schritte zum Beschwörungsritual immer wieder geprobt. Aus einem alten okkulten Buch hatten sie die Symbole abgezeichnet, die Gesänge gelernt und die Art die Kerzen aufzustellen und anzuzünden geübt. All dies geschah unter der Aufsicht und Anleitung des jungen charismatischen Mannes. Warum er unbedingt einen Dämonen beschwören wollte, wusste sie nicht, wollte es auch gar nicht wissen. Was für sie wichtig war, war dass sie ihn als Geliebten auserwählt hatte, denn der junge Mensch weckte Gefühle in ihr, die ihre Dämonenseele eine lange Zeit nicht mehr erlebt hatte. Und heute Nacht würde sie ihm ihre Liebe offenbaren, in der Nacht, in dem der Kult das Ritual ausführen wollte würde sie in ihrer Mitte erscheinen
Die Vorfreude ließ sie schon völlig unruhig werden, die Gedanken an die Ekstasen die sie mit ihm erleben würde machten sie fast verrückt.
Dann begann es. Die Männer begaben sich auf ihre Plätze, steckten in der eingeübten Reihenfolge die Kerzen an und zeichneten das Pentagramm und andere Symbole auf den Hallenboden. Auf einen Fingerzeig des Anführers stimmten sie im Sprechgesang die Verse aus dem alten Buch an.
Nun war der Moment der Dämonenfrau gekommen. Um den Effekt ihres Erscheinens noch zu erhöhen, ließ sie in der ganzen Halle einen dichten Bodennebel erscheinen. Ein Teil der Männer war deswegen überrascht, doch der Anführer verzog keine Miene. Ein plötzlicher Windstoß ließ die Kerzen flackern und dann erschien die Dämonenprinzessin in der Mitte des Bannkreises.
Das Kerzenlicht ließ ihre rote Haut glänzen, das hüftlange schwarze Haar umspielte ihren schlanken Körper, ihre Lippen waren zu einem sinnlichen Lächeln geformt, die Augen vor Liebe strahlend, ihr Haupt von ihren Hörnern gekrönt. Ihr dünner Schwanz zuckte aufgeregt hin und her als sie sich dem Anführer des Kults näherte. Beide Hände auf seine Schultern legend sprach sie zu ihm: „Ich will auf ewig dein sein, dich lieben und glücklich machen!“
Doch der Mann reagierte kaum auf ihre Worte. Mit einer unwirschen Bewegung streifte er ihre Hände von seinen Schultern und sprach: „Nimm deine Hände von mir, Höllenbrut! Du bist nicht das was ich gerufen habe! Ein mächtiger Höllenfürst hätte hier vor mir stehen sollen und nicht ein schmächtiges Weibchen!“
Die Dämonenfrau war leicht überrascht von der Entwicklung, fasste sich aber und erwiderte: „Ich liebe dich über alles, ich will dir Vergnügen zeigen wie nur ein Dämon ………“
„Schweig, minderer Dämon! Ich habe dir nicht das Wort erteilt! Ich werde dich zurückschicken in den Pfuhl aus dem du kamst !“ herrschte er sie an. Er begann merkwürdige Worte zu murmeln, in die die anderen Kultisten nach und nach einfielen.
Er hob die Arme und sah sie böse an, keinerlei Erwiderung ihrer Zuneigung war zu erkennen, nur die Herablassung eines vermeintlich Mächtigen, der auf etwas minderwertiges herabschaut.
„Ich verbanne dich dahin zurück von wo du kamst!“ rief er, „Und dann werden wir erneut versuchen, einen mächtigen Dämonenfürsten zu beschwören!“
Fast hätte seine übertriebene Dramatik lustig geklungen, aber die Dämonin hörte seinen Worten gar nicht mehr, zu sehr war sie von seiner Ablehnung erschüttert.
Als der junge Mensch sich von ihr abwandte um seinen Männer neue Befehle zu erteilen, scheinbar um sie zu bannen, stand sie da, mit Tränen in den Augen und zitternden Lippen. Ihr Dämonenherz war gebrochen, verschmäht von dem Mann, den sie als ihren Geliebten auserwählt hatte. Selten zuvor war sie zurückgewiesen worden, nie hatten ihre dämonischen Verführungskünste so versagt. Wie ein Stück Dreck hatte er sie angesehen, lediglich bemerkt, dass sie nicht das war was er erwartet hatte, was er gewollt hatte. Was auch immer die Ursache für seine Gefühlskälte ihr gegenüber war, eine solche Schmach war ihr seit unzähligen Jahrhunderten nicht mehr widerfahren. Die Trauer drohte sie zu überwältigen, Rachegelüste begannen ihren dämonischen Geist zu füllen.
Ja, sie würde ihn für seine Ablehnung bestrafen, und seine albernen Helferlein gleich mit!
Sie würde eine exquisite Rache an ihm üben! Langsam würde sie die Haut vom jungem Menschenleib abziehen, ein Organ nach dem anderen herausreißen, die Reste seines sterblichen Körpers zerquetschen! Seine Seele würden tausende von Jahren die Qualen der Hölle zu spüren bekommen! Kein Sterblicher würde jemals ein Leid von solch einem Ausmaß erlitten haben! Die anderen Kultisten würde sie in die tiefsten Höllenfeuer werfen lassen und sie dem Willen der Höllenknechte überlassen! Die Strafe würde sie alle treffen, allein weil sie Zeugen der Verschmähung einer Dämonenprinzessin wurden! Ja, sie würde ihre Rache genießen!
Doch halt! Hatte sie nicht in diesem wenigen Wochen Liebe für ihn empfunden? Trotz seiner Ablehnung konnte sie ihre Gefühle für ihn nicht einfach vergessen und es würde mehr als ein Menschenleben dauern, bis sie darüber hinwegkommen würde.
Außerdem war sie ein zivilisierter Dämon. Es schickte sich in diesen modernen Zeiten nicht mehr, Gewalt gegen die Sterblichen anzuwenden und ihre mickrigen Seelen auf ewig zu verdammen. Nein, eine moderne Dämonenprinzessin würde sich nicht auf ein so brutales Niveau herablassen.
Mit tränennassen Wangen wand sie sich von den Kultisten ab, deren Bannversuche einfach ignorierend, und öffnete ein Portal zurück in ihren Höllenkreis. Die Männer stöhnten erschrocken auf, als sie merkten, dass die Dämonin überhaupt nicht auf ihre Beschwörungen reagierte. Selbst der selbstsichere Anführer des dunklen Kults wirkte jetzt leicht verunsichert. Sie blickte ihn noch einmal traurig an und dachte wehmütig an das, was hätte sein können. Doch sie selbst würde ihn nicht verdammen, konnte ihm ihren Schmerz nicht mit Gewalt vergelten.
So verließ sie die alte Lagerhalle und streichelte im vorübergehen die beiden riesigen Höllenhunde, welche aus dem Höllenportal heraustraten und auf die Menschen zusteuerten.
Zum Glück hatten die Höllenhunde keinerlei Bedenken gegen Gewalt und Strafe und unter den Schreien der Kultisten schloss sich das Portal, nachdem sie hindurch getreten war.
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