Es war früher Vormittag, und Herr Lund saß mit einer Tasse Tee und einem guten Buch in seinem Wohnzimmer, als es plötzlich sehr heftig an seiner Haustür klopfte. Die Störung ließ ihn aufseufzen, erwartete er heute doch keinerlei Besuch. Das Buch zur Seite legend stand er auf und ging die Tür öffnen. Vor dieser stand ein aufgeplusterter Vogel, der ihn mit großen Augen ansah.
„Guten Tag, Herr Dodo, was führt dich an einem so schönen Tag….“, begann Herr Lund, als er auch schon vom Dodo unterbrochen wurde.
„Herr Lund, Herr Lund, du musst mir unbedingt helfen! Ich stehe vor einem großen Problem und habe keine Ahnung wie ich es lösen soll! Oh weh! Oh weh!“ schnatterte der Dodo, und plusterte sich immer mehr auf, während er an Herrn Lund vorbei ins Zimmer hüpfte.
Immer wieder „Oh weh! Oh weh!“ rufend lief der Dodo im Zimmer auf und ab, und Herr Lund sah sich dies einen Augenblick halb verwundert und halb amüsiert an. Dann sprach er den Vogel mit ruhiger Stimmer an: „Beruhige dich, Herr Dodo. Setz dich erst mal hin und erzähle mir von deinem Problem. Sonst kann ich dir nämlich nicht helfen. Hier, nimm eine Tasse Tee, und dann fang vorne an.“
Der Dodo nahm einen Schluck aus der Tasse, atmete dann tief durch, und fing an zu erzählen.
„Weißt du, Herr Lund, Großmutter Dodo hat in wenigen Tagen ihren großen Geburtstag, und da hat sie gesagt, dass sie sich von ihrem Lieblingsenkel (das bin nämlich ich) ein ganz besonderes Geschenk wünscht. Und dann hat sie noch gesagt, dass ich ganz tief in mir drin genau weiß, was dieses besondere Geschenk ist. Aber da liegt das Problem: ich habe keine Ahnung was das besondere Geschenk ist, in mir drin habe ich nichts gefunden!“
Und mit diesen Worten sprang der Dodo auf und begann wieder aufgeregt im Zimmer hin und her zu rennen.
„Immer mit der Ruhe, mein lieber Dodo, wir werden schon eine Lösung finden“, sagte Herr Lund und schob den Vogel sanft aber bestimmt auf den Sessel zurück.
„Also gut, deine Großmutter wünscht sich etwas besonderes und sagt, du weißt was es ist, richtig?“ Der Dodo nickte so eifrig, dass Herr Lund kurz befürchtete, der Kopf auf dem dünnen Hals könnte
abbrechen. „Ich muss einen Moment darüber nachdenken, Geschenke und Familienangelegenheiten sind nicht meine große Stärke, musst Du wissen.“
Herr Lund ging rüber zu seinem Wohnzimmerfenster und blickte nachdenklich auf den Wald, während der Dodo voller Spannung wartete und dabei immer weiter auf dem Sessel nach vorne rutschte.
Plötzlich drehte sich Herr Lund laut „Jetzt hab’ ich die Lösung!“ rufend um, woraufhin der arme Dodo vor Schreck vom Sessel fiel.
Der Vogel rappelte sich auf und fragte „Was ist es, was soll ich der Großmutter schenken?“
Und Herr Lund sprach: „Großmutter Dodo möchte etwas haben, das sie immer und jederzeit an ihren Enkel erinnert, deshalb denke ich, dass sie ein Bild von dir haben möchte.“
Der Dodo dachte kurz darüber nach, dann sage er: „Natürlich! Jetzt wo du es sagst, Herr Lund, wird es mir auch klar! Ein Bild, so dass Großmutter immer an mich denken kann.“ Er hielt kurz inne, und fragte dann mit zurückkehrender Verzweiflung: „Aber wo bekomme ich ein Bild von mir her? Es muss doch auch von hoher Kunstfertigkeit sein, damit es der Großmutter größtmöglichen Gefallen bietet!“
„Da habe ich bereits eine Idee“, sagte Herr Lund, während er Jacke und Hut nahm. „Eine gute Freundin von mir ist eine großartige Zeichnerin und Malerin. Sie wird uns sicher gerne helfen.“
Mit diesen Worten bugsierte er den Dodo zur Tür hinaus, und sie machte sich auf den Weg zum südwestlichen Waldrand, wo die Malerin wohnte.
Es dauerte bis zum Nachmittag bis die beiden an ihrem Ziel ankamen, und auf dem Weg dorthin hatte der Dodo die ganze Zeit darüber geredet, welche Pose er auf dem Bild einnehmen wollte, vor welchen Hintergrund er stehen wollte, und noch vieles mehr.
Dann erreichten sie das Haus der Malerin, hübsch bunt gestrichen und mit großen Fenstern. Umgeben war es von einem kleinen Garten, der mit vielen Pflanzen und bunten Blumen bestanden war, und mittendrin stand die Bewohnerin vor einer Staffelei.
„Sei gegrüßt, Madame P!“ rief Herr Lund, woraufhin sich die junge Frau umdrehte. Sie hatte leuchtend blaues Haar, eine große Brille mit sechseckigen Gläsern und ein Lächeln voller Wärme und Güte.
„Herr Lund!“ rief sie. „Welch Freude dich hier zu sehen! Und auch Dir ein herzliches Willkommen, kleiner Dodo!“ Fröhlich lachend ging sie auf ihre Besucher zu und umarmte sie herzlich.
„Was führt Euch an diesem schönen Tag zu mir?“ fragte sie. Der Dodo war viel zu nervös, um klare Worte zu finden, also erklärte Herr Lund ihr den Grund für den Besuch.
Madame P hörte sich alles aufmerksam an, und als Herr Lund zu Ende erzählt hatte, sprach sie:
„Mein lieber Dodo, es war klug von dir, Herrn Lund um Hilfe zu bitten, und es freut mich sehr, das ihr wegen dieser Lösung zu mir gekommen seid. Aber ich glaube, dass ich eine noch bessere Idee habe, die Ihr nicht gefunden habt, was aber gar nicht schlimm ist. Denn ich denke, mein lieber Dodo, dass das besondere Geschenk, das sich Deine Großmutter von Dir wünscht, nichts materielles ist. Ich denke stattdessen, dass sie sich von Dir wünscht, dass Du Zeit mit ihr verbringst, dass Du ihr sozusagen Dich selbst schenken sollst. Denn mit ihrem Enkel zusammen sein zu dürfen, das ist wahrscheinlich die größte Freude für sie.“
Der Dodo sah Madame P glücklich an, und Herr Lund machte eine leichte Verbeugung vor ihr, denn beide erkannten wie Recht sie hatte.
Dann sah der Dodo beide an und sagte: „Ich danke Euch beide, denn nun weiß ich, dass ich das richtige Geschenk für meine Großmutter gefunden habe.“
„Ich helfe Dir sehr gerne, lieber Dodo“, sagte Madame P, mit einen freundlichen lächeln. „Und weil die Idee von Herrn Lund auch schon sehr gut war, werde ich trotzdem ein Bild von Dir malen.
Über ein zusätzliches Geschenk wird die Großmutter bestimmt nicht traurig sein.“
Lachend klatschte sie in die Hände und ergänzte noch: „Komm am besten morgen wieder zu mir, damit wir mit dem Bild anfangen können.“
Der Dodo bedankte sich noch mehrfach bei der Künstlerin, und dann verabschiedeten er und Herr Lund sich von ihr.
Madame P umarmte beide zum Abschied und sagte: „Ich freue mich, dass ich helfen konnte! Vielen lieben Dank für Euren Besuch! Kommt gut Heim und besucht mich gerne jederzeit wieder.“
Und so machten sich die beiden auf den Heimweg. Der Dodo sprach den ganzen Weg nur davon wie froh er war das sie zusammen das richtige Geschenk gefunden hatten. Herr Lund hörte ihm aufmerksam zu, ohne selbst etwas dazu zu sagen.
Aber im Stillen war er sehr glücklich darüber, dass er zusammen mit Madame P dem Dodo hatte helfen können, und wie schön es war, eine wunderbare Person wie sie zur Freundin zu haben.
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